Henri Nouveau – Henrik Neugeboren

*06.03.1901 in Kronstadt; † 12.01.1959 in Paris

Text von Bernard Richter

Henri Nouveau (Henrik Neugeboren, 1901-1959).
„Sex Tgb“ – Die sexuellen Tagebücher 1915-1946. Drei Bände:
I. Budapest – Kronstadt – Berlin; 1915-1925.
II: Berlin – Paris 1926-1935.
III: Paris 1936-1946.

Handschrift in Bleistift und Tinte und Schreibmaschinen-Typoskript. 422; 538; 514 Seiten à ca. 40 Zeilen. Mit einigen Zeichnungen im Text, einer Fotografie, Illustriertenausschnitten. Grauer Karton (21×28 cm).

Unveröffentlicht und weitgehend unbekanntes Dokument einer mehr als krassen sexuellen Lebensgeschichte, die in Siebenbürgen und Budapest beginnt, wo Henrik Neugeboren als pianistisches Wunderkind im Umkreis der Bartók-Musikschule seine Prägung erhält, dann in den 20er Jahren in Berlin Musik studiert, später ans Dessauer Bauhaus wechselt und sich Anfang der 30er Jahre in Paris niederläßt, wo er seine musikalischen Studien fortsetzt, in den 40ger Jahren aber zur Malerei wechselt.

„Der besondere Wert dieser Lebensgeschichte für das Verständnis sexueller Fehlhaltungen oder Süchte, und im weiteren der Sexualität überhaupt, scheint uns in drei wesentlichen Momenten zu bestehen: Einmal, daß hier sexuelle Praktiken und Vollzüge, aber auch Vorstellungen, Phantasmata und Träume, in großer Mannigfaltigkeit und vielen Spielarten in einem gleichsam grandiosen Ausbau vor Augen geführt werden. (Im Unterschied zu de Sade finden sich hier real durchlebte, nicht nur phantasierte Praktiken.) Weiter, und darin liegt wohl ihr einmaliger Wert, daß sie auf dem Boden lückenloser Tagebuchaufzeichnungen zwischen dem 16. und 57. Lebensjahr, d.h. über 43 Jahre hinweg, eine genaue Längsschnittanalyse einer solchen Entwicklung bis ins höhere Alter hinein ermöglicht.“ (Jürg Hansen, Abstraktion vom sinnlichen Erleben, Stuttgart 1967). Henrik Neugeboren/Henri Nouveau (1901 Kronstadt- 1959 Paris), trat in den 20ger und 30er Jahren als Komponist und Pianist (Schüler Busonis und Nadja Boulangers) hervor und studierte Ende der 20er Jahre am Dessauer Bauhaus, wo er Kandinsky mit Klee bekannt machte. Im Paris der 30er und 40er Jahre bestanden enge Kontakte zu Künstlern wie Oelze, Picabia, Theo van Doesburg, Robert und Sonja Delaunay, Sándor Bortnyik u.a. Sein fetischistischer Nachlaß, kurz nach seinem Tod „in zwei Lederkoffern aufgefunden“ (H. Giese), beschäftigte in den 60er Jahren die Hamburger Schule der Sexualforschung um Bürger-Prinz und Giese, in den 70ern Kulturwissenschaftler wie Peter Gorsen.(Henri Nouveau und die Ästhetik der perversen Sexualität, IN: Thomas Ziehe u.a. (Hrsg.) Der sexuelle Körper – ausgeträumt?, Berlin 1984. „Henri Nouveau a su conquérir une pays que jamais personne n’a possédé.“ (Francis Picabia)

 

Secured By miniOrange