Wer sich eingehender mit dem Thema Mancophilie beschäftigt, wird früher oder später auch über Begriffe wie PretenderWannabes und Faker stolpern.
Auf den folgenden Seiten finden Sie dazu jeweils eine kleine Begriffserklärung.

 

Amelo Projekt

„Sebastian“ hat dieses Schriftstück entworfen und mir zur freien Verfügung überlassen. Vielen Dank dafür! Sebastian hat seine Erfahrungen, die er im Laufe von circa vier Jahren im Chat gesammelt hat, in mühevoller Kleinarbeit zusammengestellt.

Er nennt es das:

Amelo Projekt

Definition Amelotatismus:

Die Bezeichnung „Amelotatismus“ (Amelotatist, Amelotatistin) leitet sich vom griechischen a, „ohne“, melo, „Glied“, tasis, „Zuneigung“ ab. In der engeren Bedeutung des Begriffs bedeutet Amelotatismus also die Fixierung auf fehlende Gliedmaßen. Tatsächlich scheint eine Mehrheit der Amelotatisten auf diese Behinderungsart fixiert zu sein. Insgesamt aber ist das Phänomen viel komplexer.

So findet sich die Fixierung

• auf fehlende Körperteile (durch Amputation)
• auf fehlgebildete Körperteile (z.B. Dysmelien, Contergan-Schädigungen)
• auf Lähmungen, Spastiken
• auf orthopädische Hilfsmittel (z.B. Rollstühle, Prothesen, Orthesen, Korsetts, Krücken, Gips)

Deutlich seltener findet sich eine Neigung zu Sinnesbehinderungen, wie beispielsweise Blindheit, Taubheit oder Sprachbehinderungen.
Tabu scheint die Neigung zu Menschen mit geistigen Behinderungen zu sein. Zumindest wird eine solche Neigung in einschlägigen Internetforen und –groups nicht thematisiert.
Amelotatismus wird der Gruppe der Sexualfetische zugeordnet.

Für den Amelotatismus hat man unter anderem den Begriff Deformationsfetischismus geprägt, d.h. einen Fetisch bezogen auf den nicht perfekten Körper. Dieser Begriff findet aber sehr selten Anwendung.

Eine relativ deutliche Abgrenzung scheint es zwischen jenen Amelotatisten zu geben, die auf fehlende oder missgebildete Gliedmaßen fixiert sind, und jenen, die von Lähmungen angezogen werden.

Die zur zweiten Gruppe Gehörenden bezeichnen sich häufig nicht als Amelotatisten und verweisen auf die wörtliche Übersetzung. Allerdings fehlt für diese Form der Neigung ein eigener Fachbegriff. Notwendig ist ein solcher eigener Begriff aber auch nicht.

Allgemeine Deutung von Amelotatismus

Losgelöst von der wörtlichen Übersetzung versteht man heute unter Amelotatismus mehrheitlich die Zuneigung zu den unterschiedlichsten Formen von Behinderungen. In diesem weiter gefassten Sinne soll auch hier der Begriff „Amelotastismus“ benutzt werden. Unter dem Begriff Amelotatismus subsumieren sich somit ganz unterschiedliche Neigungen und Ausprägungen.

Amelos und Amelinen

Männliche und weibliche Amelotatisten bezeichnen sich selber häufig als „Amelos“ bzw. „Amelinen“. Diese Selbstbezeichnung wird hier übernommen. Sie sollte nicht als Verharmlosung oder Verniedlichung missgedeutet werden.

Devotees

Aus dem englischsprachigen Raum wurde der Begriff „Devotee“ übernommen, was soviel heißt wie „Verehrer“; in diesem Zusammenhang verstanden als der /die Verehrer/in von Menschen mit Handicap. Im deutschsprachigen Raum ist dieser Begriff zwar bekannt, wird aber weniger häufig benutzt. Diejenigen, die eher auf Lähmungen fixiert sind, benutzen manchmal bewusst den Begriff „Devotee“, um sich von den „Amelos“ abzugrenzen.
(„Ich bin nicht Amelo, ich bin Devotee!“)
Ganz korrekt ist diese Unterscheidung nicht.

Amelotatismus

ein Begriff für viele Ausprägungen-

Mit dem Begriff „Amelotatismus“ wird ein Phänomen beschrieben, dass sich in vielen verschiedenen „Spielarten“ zeigt (siehe „Begriffserklärungen“).
So ergibt sich auf den ersten Blick ein verwirrendes und irritierendes Bild. Mit den nachstehenden Beschreibungen soll versucht werden, etwas Licht in dieses selbst für die Betroffenen weitgehend unbekannte Phänomen zu bringen.

Wodurch wird Amelotatismus ausgelöst?

Unfreiwillige Neigung

Bis heute findet sich kein Deutungsmodell, dass die Entstehung einer Amelo-Neigung überzeugend erklären könnte. Sicher ist wohl nur, dass sich kein/e Betroffene/r diese Neigung ausgesucht hat. So würden einige Amelos und Amelinen auch zu gerne den Schalter im Kopf finden, mit dem man diese spezielle Neigung abschalten könnte.

Beginn in der Kinder-und Jugendzeit

Die überwiegende Zahl der Betroffenen gibt an, dass die Neigung schon in der Jugendzeit, zum Teil schon vor der Pubertät, spürbar wurde, ohne dass man immer gleich das besondere Interesse an Behinderungen deuten konnte.
Die Pubertät ist also nicht der alleinige Auslöser, wenn auch mit der Pubertät das sexuelle Interesse am Handicap hinzu kommt.

Einige Wenige geben dagegen an, dass bei ihnen erst in späteren Jahren, oft durch den eher zufälligen Kontakt zu einem behinderten Partner, eine Amelo-Neigung entstanden wäre. Wobei auch dieser Personenkreis rückblickend bestimmte Anzeichen für eine amelotatistisches Interesse bereits in Kinderzeiten zu erkennen glaubt.

Schlüsselerlebnis

Diskutiert wird immer wieder die Frage, ob ein Schlüsselerlebnis in der Jugend zur Amelo-Neigung führte. So wird überlegt, ob die bewusste und intensive Wahrnehmung einer Person mit Behinderung in einem jungen Lebensabschnitt einer solche Prägung auslöst.
Ein größerer Teil scheint sich an ein solches Erlebnis erinnern zu können. Dabei ist jedoch nicht klar, ob es sich wirklich um ein auslösendes Schlüsselerlebnis handelt, oder nicht viel eher um ein erstes bewusstes Spüren der amelotatistischen Neigung.
Alleine scheint diese Erklärung nicht zu überzeugen, denn dann müsste die bewusste Wahrnehmung einer Behinderung bei viel mehr Kindern zu einer nachhaltigen amelotatistischen Prägung führen. Dies ist aber keineswegs der Fall.
Viele Betroffene können sich zudem auch an kein prägendes Erlebnis erinnern.

Verschiedene Auslöser für das Phänomen „Amelotatismus“ ?

Vermutlich gibt es nicht die eine, allein überzeugende Erklärung für die Ausbildung einer Amelo-Neigung. Wahrscheinlich können ganz unterschiedliche Ursachen hierzu führen.
Für diese Annahme spricht, dass sich auch ganz unterschiedliche Ausprägungen dieser Neigung finden, die man alle sehr unscharf unter dem Begriff „Amelotatismus“ zusammenfasst.

Gestörte Mutter-Sohn-Beziehung

Nach einem Modell wird die Amelo-Neigung auf eine stark gestörte Mutter-Sohn-Beziehung (bei Amelinen: Tochter-Vater-Beziehung) zurückgeführt. So könne der Amelo nur dann eine Frau in seiner Nähe ertragen, wenn diese durch ein Handicap stark eingeschränkt und damit nicht voll leistungsfähig bzw. dominant sein kann.
Dies mag eine Ursache sein. Allerdings finden sich auch zahlreiche Amelos bzw. Amelinen, die in durchaus guten Beziehungen mit nicht-behinderten Partnern leben. D.h., eine generelle Beziehungsstörung zum anderen Geschlecht liegt nicht zwingend als Begründung vor.
Auch können viele Amelos auf eine völlig normale Beziehung zu ihrer Mutter verweisen.

Fehlendes Selbstwertgefühl / Wunsch nach Dominanz

Ein ähnliches Deutungsmodell geht davon aus, dass Amelos über ein nur gering ausgeprägtes Selbstbewusstsein verfügen und daher nur in Beziehungen leben können, bei denen sie selber als Nicht-Behinderter als der Dominantere bzw. Leistungsfähigere erscheinen können.
Tatsächlich finden sich Formen der Amelotatismus-Neigung, die diese Theorie stützen. Andererseits spricht gegen dieses Deutungsmodell, dass zahlreiche Amelos durchaus gefestigte Persönlichkeiten besitzen, beruflich erfolgreich sind und Tätigkeiten ausüben, die ein entsprechend selbstbewusstes Auftreten erfordern.

Helfersyndrom

Vielleicht ist auch das „Helfersyndrom“ Motiv für eine amelotatistische Neigung. Unter diesem Begriff subsumieren sich zwei Aspekte.
1. Gemäß diesem Verständnis bringt der Amelo der behinderten Frau große Fürsorge entgegen, um eigene Abhängigkeit abzuwehren. Dies entspricht der Vorstellung, dass der „Helfer“ (der Amelo) sich nur dann gut fühlt, wenn er der behinderten Frau große Fürsorge entgegen bringt.
2. Eine weitere, eng damit verbundene Deutung geht davon aus, dass der „Helfer“ damit jenes Idealbild von Liebe und Fürsorge (z.B. die Fürsorge der Familie) kompensiert, welches er selber in seiner Jugend nicht erfahren konnte.
Besonders weiblichen Amelotatisten wird eine solche Helfersyndrom-Neigung nachgesagt, ohne dass dies näher quantifiziert werden könnte.
Tatsächlich findet sich entsprechende Motive recht häufig. Amelotatisten/innen, die vermutlich dem Helfersyndrom zugerechnet werden können, entsprechen wohl dem Typ „Realo-Amelo“ (siehe unten) und weisen alle Formen von Gewaltphantasien oder Körperteil-Fetischismus (Partialismus) entschieden von sich.

Sadismus

Eine weitere Deutung sieht Amelotatismus als Spielart des Sadismus. Im medizinischen Sinne versteht man unter Sadisten Leute, die (sexuelle) Lust daran empfinden, andere Personen zu demütigen, zu unterdrücken oder Schmerzen zuzufügen. Manche geäußerte Phantasie entspricht diesem Modell.
Ebenso versteht man unter dem Begriff Sadismus auch die Neigung, an dem Leid Anderer Lust zu empfinden, ohne selber Verursacher diesen Leids zu sein. Tatsächlich finden sich in den amelotatistischen Phantasien entsprechende Anzeichen.
Typische Phantasien sind:
– die einseitig beinamputierte Frau, die ohne Krücken
gezwungen ist, sich hüpfend fortzubewegen
– die doppelt-beinamputierte Frau, die sich auf Händen
bewegen muss
– die gelähmte Frau, die über den Boden robbt

Führen unterschiedliche Auslöser von Amelotatismus
zu unterschiedlichen Amelo-Typen?

Auffallend ist, dass es wohl sehr unterschiedliche Ausprägungen von Amelotatismus gibt, die tatsächlich durch unterschiedliche Entstehungsgeschichten ausgelöst werden könnten.
Diese unterschiedlichen Amelotatisten-Typen sollen nachfolgend noch näher charakterisiert werden.

Formen des Amelotatismus

Wer sich in einschlägigen Foren oder Chatrooms umsieht, wird schnell feststellen, dass sich dort Leute mit ganz unterschiedlichen Phantasien und Charakteren zusammenfinden. Es wird schnell klar, dass es den Amelo bzw. die Ameline überhaupt nicht gibt. Unter dem Begriff „Amelotatismus“ werden vielmehr ganz unterschiedliche Ausprägungen zusammengefasst. Um das Phänomen Amelotatismus aber zu verstehen, ist das Erkennen dieser Unterschiede von Bedeutung. Allerdings stellt sich die Frage, wie man die unterschiedlichen Ausprägungen des Amelotatismus beschreiben kann.

ModellAmelo-Skala

Vielleicht gelingt eine erste Beschreibung mit dem Modell einer Skala.
Würde man alle Amelos und Amelinen wie auf einer Skala nebeneinander aufstellen, und gemäß der Ausprägung ihres Fetisch nach Stärke und Dominanz sortieren, dann würden am einen Ende Jene stehen, die sich heftig gegen jeden Vorwurf, „Fetischisten“ zu sein, wehren würden. Sie stellen bei sich eher ein verstärktes Interesse an den unterschiedlichsten Behinderungsformen fest, ohne dass dies irgendwelche Auswirkungen auf ihr reales Leben darstellt.
Am anderen Ende der Skala stünden dann Jene, deren amelotatistische Neigung von sadistischen Phantasien gegenüber Menschen mit Behinderungen geprägt sind, die ihren Fetisch real ausleben wollen und deren Alltag in starkem Maße von amelotatistischen Phantasien beherrscht wird.
Zwischen diesen weit auseinander liegenden Polen sind die verschiedensten Spielarten feststellbar.

Bei aller Unterschiedlichkeit stellt man aber doch gewisse Strukturen fest. So soll im Folgenden versucht werden, vier „Muster-Amelos“ zu charakterisieren. Dabei ist natürlich klar, dass ein solches Modell eine holzschnittartige Vergröberung darstellt. Aber manchmal dient die Vergröberung auch der Verdeutlichung.

Der Schönwetter-Amelo

Schönwetter-Amelos zeichnen sich durch ein eher naives Bild von der behinderten Partnerin aus. Die Behinderungen (Amputation oder Lähmungen) und deren Auswirkungen werden verklärt. Idealbild ist das Topmodell, dass durch einen tragischen Unfall ein Bein verloren hat, dies aber nach einer kurzen Reha-Phase als hoch erotisch empfindet und natürlich ohne jegliche Einschränkungen aktiv und leistungsfähig ist.
Jegliche Gedanken, dass Behinderungen auch mit psychischem Leid, Einschränkungen, Ausgrenzungen, Schmerzen und Folgeerkrankungen verbunden sein könnten, werden ausgeblendet. Im harmloseren Fall ist dies einfach nur naive Unkenntnis. Im anderen Fall ist es Ignoranz und Desinteresse.
Nun ist es jedem Amelo unbenommen, sich in seinen Phantasien die Traumfrau seiner Wahl zu „backen“. Äußerst problematisch wird es, wenn „semi-aktive“ oder „aktive“ Amelos (siehe unten) diese sehr verengte und beschönigende Sicht auch im realen Kontakt zu Behinderten Menschen zeigen.
So wird recht häufig die behinderte Frau nur als „Freizeitpartnerin“ zum Ausleben der Amelo-Neigung gesucht.
Reale Beziehungen sind häufig zum scheitern verurteilt. Zum einen, wenn man merkt, dass die Phantasien mit der Realität kaum überein stimmen oder man nicht wirklich zu einer behinderten Partnerin steht.

Der Realo-Amelo

„Realo-Amelos“ wehren sich heftig gegen den Vorwurf, ähnlich den „Schönwetter-Amelos“ eine naive oder verklärte Sicht zu besitzen und als „stumpfgeil“ bezeichnet zu werden Sie zeichnen sich durch großen Realitätssinn aus und sehen die Beziehungen, bei aller Zuneigung zur Behinderung, sehr rational. Ihnen ist sehr klar bewusst, dass die Zahl der Beine nicht über die Qualität einer Beziehung entscheiden kann.
Realo-Amelos besitzen oft eine erstaunliche Fachkenntnis, die daher rührt, dass sie sich oft über lange Zeit mit den verschiedensten Aspekten der Behinderung auseinander setzen. Sie wissen beispielsweise über Phantomschmerzen ebenso detailliert Bescheid, wie über die Behandlung von Dekubitus.
Vermutlich ist bei „Realo-Amelos“ in erster Linie das „Helfer-Syndrom“ prägend, d.h. man sucht einen Partner, dem man seine ganze Fürsorge zukommen lassen möchte.
Beziehungen zwischen behinderten Personen und Realo-Amelos/Amelinen haben die größten Chancen auf Dauerhaftigkeit.

Der Partial-Amelo

Bei dem „Partial-Amelo“, benannt nach dem Partialismus-Phänomen, besteht eine starke (sexuelle) Fixierung auf einen Körperteil, Beim Amelotatisten sind dies natürlich jene Körperteile, an denen die Behinderung sichtbar wird. (fehlgebildete Gliedmaßen, Amputationsstümpfe, gelähmte Füße). Die „Lust“ stellt sich beim Betrachten besser noch Berühren dieser Körperteile ein.
Die Fixierung auf das behinderte Körperteil ist so stark, dass in der Szene hierfür der Begriff „stumpfgeil“ als Charakterisierung geprägt wurde. Tatsächlich findet sich bei diesem Amelotyp kein wirkliches Interesse an der Partnerin (an dem Partner). („Dem Kerl ist völlig egal, dass an dem Stumpf noch eine Frau hängt!“) Entsprechend problematisch entwickelt sich jede reale Beziehung.
Ebenso wie bei den „Schönwetter-Amelos“ scheinen Partial-Amelos zudem ständig neue Reize zu benötigen. Schnelle Partnerwechsel, besser „Objektwechsel“, sind daher häufig.

Der Sado-Amelo

Sado-Amelos verspüren „Lust am Leid“.
Die Lust muss dabei keineswegs konkreten Gewaltphantasien entspringen, sondern kann bereits aus der Hilflosigkeit der behinderten Frau erwachsen.
Beziehungen zu Sado-Amelos können extrem problematisch werden, wenn diese versuchen, ihre Phantasien real auszuleben. Diese können sich in realer körperlicher oder psychischer Gewalt äußern. Oder die sadistische Neigung zeigt sich in subtilen Handlungen, den behinderten Partner in Abhängigkeit zu halten.
Beziehungen zu „Sado-Amelos“ können extrem problematisch werden.

Von Allem ein bisschen?

Vermutlich wird nun Mancher für sich feststellen, dass er in keine dieser vier Schubladen exakt hinein passt. Vielleicht wird man sich von Grundsatz her schon als Realo-Amelo sehen aber zugeben müssen, die eine oder andere „sadistische“ Phantasie mit sich herum zu tragen. Es wird vermutlich also die verschiedensten Kombinationen geben, wie bei einem Cocktail:

80 % Realo-Amelo als Grundlage
10 % Partial-Amelo
(„Denn so ein Stumpf ist ja doch sehr schön“)
10 % Sado-Amelo
(„Ich mag es halt, wenn eine einbeinige Frau mühsam durch die Wohnung hüpft!“)

Vielleicht gibt es aber auch noch einen fünften und sechsten Typ und vielleicht muss auch zwischen männlichen und weiblichen Amelos unterschieden werden. Hier werden die – hoffentlich zahlreichen – Reaktionen und Rückmeldungen abzuwarten sein.

Ist Amelotatismus ein Fetisch?

Amelotatismus wird den Sexualfetischen zugerechnet. So kennt man beispielsweise Fetische:

• bezogen auf Körperteile (zum Beispiel Füße, Po, Busen, Penis, Haare)
• bezogen auf Körpermerkmale (zum Beispiel Hautfarbe, Mandelaugen)
• bezogen auf Materialien (zum Beispiel Leder, Lack, Latex, Gummi)
• bezogen auf Gegenstände (zum Beispiel Schuhe, Stiefel, Strümpfe, Strumpfhosen, Windeln, Turnhosen)

Bei Amelotatisten findet sich häufig die Fixierung auf eine sehr spezielle Behinderungsart, auffallend oft zum Beispiel eine einseitige Oberschenkelamputation. Dabei kann schon ein zu langer oder zu kurzer Stumpf dazu führen, das der sexuelle Reiz deutlich schwächer ausfällt. Bei Anderen wiederum ist das Interesse „breiter“ und es zeigt sich eine Zuneigung zu den verschiedensten Arten von Körperbehinderungen.
Aber ist diese Affinität zu Behinderungen ein Fetisch?
Die eine Gruppe wird zustimmen. („Klar ist das ein Fetisch von mir!“). Andere wiederum fühlen sich völlig missverstanden. („Ich interessiere mich halt dafür. Aber ich bin doch kein Fetischist!“)
Was stimmt denn nun?
Ein schneller Blick bei Wikipedia:
„Als Fetischismus – von lat. facticius, (nachgemacht) bzw. facere (machen), in der Folge von port. feitiço (Zauberei, Hexerei) bzw. dem Adjektiv feitiço (unecht, künstlich, nachgemacht) – wird im Bereich der Sexualität eine Fixierung auf einen unbelebten Gegenstand, den so genannten Fetisch bezeichnet. Dieser dient als Ersatzobjekt für den gewöhnlichen Sexualakt mit Partner und stellt dabei die wichtigste oder einzige Quelle sexueller Erregung dar.“
Diese Definition greift in soweit nicht, als beim Amelotatismus natürlich nicht um unbelebte Gegenstände geht. Tatsächlich aber gibt es Formen von Amelotatismus, wo die Behinderung (z.B. der Stumpf, die gelähmten Beine) die wichtigste oder gar einzige Quelle der sexuellen Erregung darstellen.
Andere Amelos und Amelinen bestreiten heftig, dass der Fetisch bei ihnen so tief greift.

Medizinisch-psychologische Bedeutung

Während man früher jede Form von Fetisch als behandlungswürdig ansah, werden heute im medizinisch-psychologischen Sinne nur noch jene Formen als krankhafter Fetisch behandelt, bei denen die sexuellen Phantasien zu dranghaften Verhaltensweisen führen, unter denen der Betroffene oder aber auch andere Personen leiden.
Die reine Fixierung auf ein Handicap wird im medizinisch-psychologischen Sinne heute nicht mehr als Fetisch bezeichnet.
Konkret bedeutet dies, dass es zwar durchaus Formen von Amelotatismus gibt, die als (krankhafter) Fetisch bezeichnen werden können bzw. müssen, aber längst nicht alle. Amelotatismus ist also nicht zwangsläufig ein Fetisch.

Fetischszene

Diese medizinisch-psychologische Definition von „Fetisch“ entspricht jedoch nicht allgemeinem Sprachgebrauch.
In der Fetischszene wird die bloße „Neigung“ als Fetischismus bezeichnet, auch wenn die / der Betreffende nicht darunter leidet und auch wenn sie nicht die dominante Sexualpräferenz ist.
Im Fetischismus wird hier eine legitime und gleichberechtigte sexuelle Spielart gesehen, die nicht geheilt oder behandelt werden muss.

Umgangssprachliche Bedeutung

Während die Fetischszene also die betreffenden Neigungen als „Spielart“ umschreiben, wird umgangssprachlich der Begriff „Fetisch“ allerdings meist abwertend gebraucht, und zwar insbesondere auch für Neigungen, die nicht der allgemeinen gesellschaftlichen Norm entsprechen.
Die Frage ist nun, wer diese gesellschaftlichen Normen definiert.

Partieller Fetisch versus kompletter Fetisch

Man unterscheidet zwischen partiellem und komplettem Fetisch.
Partieller Fetisch: die sexuelle Erregung wird durch den Fetisch nur erleichtert,
Kompletter Fetisch: ohne Fetisch wird kein Orgasmus erreicht

Phantasie oder reales Verlangen?

Wahrscheinlich werden in jeder Nacht Legionen von Schwiegermüttern auf bestialische Weise um die Ecke gebracht und tausende von bekannten Musikern oder Schauspielern auf offener Bühne vergewaltigt.
Die Menge der intimsten Phantasien ist wahrscheinlich nicht zählbar. Nicht einmal dem eigenen Lebenspartner kann man hinter die Stirn blicken und erraten, welche heimlichen Phantasien ihn oder sie bewegen. Wie soll man auch erfahren, dass der seriöse Kollege am Nachbarschreibtisch sich die attraktive Arbeitskollegin häufig nur in Dessous und Highheels vor dem PC sitzend vorstellt?
Besonders dramatisch und lebensbestimmend müssen sich solche Phantasien nicht auswirken. So kann die Frau, die regelmäßig davon träumt, mit George Clooney an einem Strand in der Karibik wilden Sex zu treiben, trotzdem mit einem kleinen kaufmännischen Angestellten aus Bottrop eine glückliche Beziehung führen.
Längst nicht aus jeder Phantasie erwächst reales Verlangen. So werden auch amelotatistische Phantasien auf ganz unterschiedliche Weise ausgelebt. Wenn also vom Amelotatismus-Phänomen gesprochen wird, so muss zwischen passiven, semi-aktiven und aktiven Amelos bzw. Amelinen unterschieden werden.

Passive Amelos

Bei „passiven“ Amelos sind die Phantasien reines „Kopfkino“. Die Zuneigung zu Menschen mit Behinderung spielt sich alleine in der Phantasie ab und äußert sich höchstens in einem verschämten Blick, wenn man eine Frau oder einen Mann mit entsprechender Behinderung zufällig sieht.
Die Gründe für dieses „passive“ Verhalten sind vielfältig. Einige sehen ihre amelotatistische Neigung als harmlosen „Tick“, der ihr Leben kaum beeinflusst. Andere verhalten sich aus Scham sehr passiv.

Semi-aktive Amelos

Durch die Angebote des Internets haben die Möglichkeiten, die amelotatistischen Phantasien auszuleben, deutlich zugenommen. So finden sich im Internet heute recht leicht Bilder und Filme, an die man in Vor-Internet-Zeiten nur schwer heran kam. Von denen man oft gar nicht wusste, dass sie sehr versteckt unter der Ladentheke einschlägiger Anbieter vertrieben wurden.
Auch ist es nun möglich, dass sich Männer und Frauen mit amelotatistischer Neigung recht risikolos in Foren und Chatrooms anmelden können, da hier die Anonymität weitgehend gewahrt bleiben kann. In der Regel weiß das soziale Umfeld nichts von der Neigung.
Für semi-aktive Amelos kommen Realkontakte, weil diese einem Outing gleichkommen würden, nicht in Frage.

Aktive Amelos

„Aktive“ Amelos und Amelinen wollen reale Kontakte. Für sie ist die Amelo-Neigung lebensprägend und soll keineswegs Phantasie bleiben. Sie werden aktiv, um im Internet oder noch viel besser, im „real life“ Beziehungen zu Menschen mit Behinderungen aufzubauen.
Die Strategien, die „aktive Amelos“ wählen, um den Partner ihrer Träume zu finden, reichen von „naiv“, „anständig und ehrenwert“ oder „moralisch verwerflich“ bis „hochgradig kriminell“.

Wieviele Männer und Frauen mit Amelotatismus-Neigung gibt es?

Natürlich gibt es keinerlei verlässliches Zahlenmaterial.
Wie soll man auch zu solchen Daten kommen, wenn die Neigung fast vollständig geheim gehalten wird?
Einige Hinweise liefert vielleicht das Internet.
Bei Yahoo finden sich zahlreiche einschlägige Groups, in denen sich Männer und Frauen mit amelotatistischer Neigung entsprechend austauschen (s.u.).
Deutschsprachige Groups verzeichnen um die 4000 Mitglieder. Die überwiegend englisch-sprachigen Groups, die aufgrund der geringeren Sprachhürden Mitglieder aus der ganzen Welt aufweisen können, besitzen bis zu 10.000 Mitglieder.
Im Diskussionsforum amputee.ultraboard.ch sind um die 500 aktive Poster angemeldet, wobei es sich hier nicht ausschließlich um Amelos und Amelinen handelt. Die Zahl der stillen Mitleser ist natürlich deutlich höher.
Eine Quelle benennt, dass wohl jeder 1.000-ste in der Bundesrepublik eine amelotatistische Neigung besitzen würde. Dies wären immerhin 80.000. Diese Zahl wird aber durch keine Erhebung gestützt.

Ist Amelotatismus ein Männerproblem ?

Aufgrund des fehlenden Zahlenmaterials ist diese Frage nur schwer zu beantworten.
Es scheint aber so, dass zum weit überwiegenden Teil Männer eine Amelo-Neigung zeigen. Schätzungen gehen von ca. 90 % aus. Dies entspricht zumindest den Beobachtungen in einschlägigen Chatrooms und Foren. Andere Stimmen behaupten, dass der Anteil der Frauen insgesamt deutlich höher läge.
Klarer zu fassen ist das einschlägige Internet-Angebot. Die amelo-orientierten Seiten wenden sich fast ausschließlich an männliche hetero-sexuell orientierte Amelos, d.h. sie zeigen fast ausschließlich Frauen mit Handicap. Deutlich weniger Internet-Angebote haben einen homosexuellen Hintergrund. Seiten, die sich speziell an heterosexuelle Amelinen wenden, finden sich dagegen nur sehr wenige, was von den weiblichen Amelos beklagt wird.

Sexuelle Orientierung

Wenn also in diesem Text überwiegend von männlichen Amelos berichtet wird, die auf Frauen mit Handicap fixiert sind, dann geschieht dies nur deshalb, weil dies sprachlich einfacher ist und dem scheinbaren Regelfall entspricht.
Tatsächlich finden sich unter dem männlichen und weiblichen Amelotatisten alle geschlechtlichen Orientierungen.

Geisteskrankheit oder Intelektuellenproblem?

Ist Amelotatismus eine Geisteskrankheit?
Einige Darstellungen in den Medien scheinen diese Auffassung zu vertreten. Viele Amelos und Amelinen haben tatsächlich Angst, aufgrund ihrer speziellen Vorliebe und Zuneigung zu behinderten Menschen als geisteskrank eingestuft zu werden. Noch viel extremer ist diese Angst bei den Wannabes und BIID-Betroffenen ausgeprägt.
Sie fühlen sich völlig verkannt.
Bemerkenswert ist, dass sich in Foren und Chatrooms auffallend viele Amelos und Amelinen mit akademischer Ausbildung zu Wort melden. Dabei sind dies keineswegs „verkrachte Existenzen“, sondern oft gefestigte Persönlichkeiten in einem normalen gesellschaftlichen und sozialen Umfeld und mit beruflichem Erfolg.
Diese Beobachtung führte bereits zu der These, dass es sich bei dem Amelotatismus-Phänomen um ein Intelektuellenproblem handele. Es ist aber fraglich, ob dies wirklich so zutrifft. Sicher ist, dass Männer und Frauen mit akademischer Ausbildung eher dazu neigen, ihre eigene Situation in Foren und Chatrooms selbstkritisch zu hinterfragen.

Sind Amelotatisten pervers?

Kommt drauf an, wie man den Begriff „pervers“ deutet.
Hier soll wieder das online-Lexikon Wikipedia weiterhelfen. (Die Zitate wurden am 18.4.2007 entnommen.)
Perversion, (lat. perversio „die Verdrehung, die Umkehrung“) bezeichnet eine stark bis sehr stark den vorherrschenden Moralvorstellungen, häufig im Bereich des Trieb- und Sexualverhaltens, entgegenwirkende Tat.
Amelotatismus weicht sicherlich stark von den „vorherrschenden Moralvorstellungen“ ab. Von daher ist Amelotatismus sicherlich eine „perverse“ Neigung. Viele Amelos würden aber eine Einstufung als „pervers“ weit von sich weisen, denn Wikipedia weist mit Recht darauf hin:

Heute wird es als Schimpfwort für befremdendes Verhalten benutzt.

Andererseits spüren Amelos ja selber, dass ihre Neigung „befremdend wirkt“ sprich: „kaum erklärbar“ ist. Dass das Wort „Perversion“ als Schimpfwort benutzt wird, macht die Sache nicht leichter. Schon schwieriger ist die Deutung der folgenden Feststellung:
In der Psychologie steht der Begriff für eine sexuelle Bedürfnisstruktur und die daraus hervorgehenden Verhaltensweisen. Diese weichen von dem als gewöhnlich geltenden Geschlechtsleben konstant erheblich ab. Vor allem dadurch, dass die Personen im Grunde keine Partnerschaft anstreben, sondern lediglich ihren Sexualtrieb befriedigende Reize suchen.
Den vorstehenden letzten Satz wird sicherlich ein Teil der Amelos weit von sich weisen. Tatsächlich stellt sich aber die Frage, ob wirklich eine Partnerschaft angestrebt wird, oder letztlich nur sexuelle Triebe befriedigt werden wollen.
Vielleicht hilft hier die nachstehende Feststellung weiter:
Deviation
Alle Versuche, die Ursachen der Perversion somatisch oder psychologisch zu erklären, blieben unbefriedigend, ebenso getätigte Therapieversuche. Die gängige Auffassung löst sich immer mehr von moralisierender oder pathologischer Einschätzung der Perversion und bevorzugt den wertfreien Terminus Deviation (lat. deviatio: Abweichung), zumal die Perversion bei sonst völlig intakten Persönlichkeiten zu finden ist.
Amelotatismus ist sicherlich als Deviation zu bezeichnen.

Scham, Isolierung und Outing

Lonely-Wolf-Feeling

Besonders jene Amelos und Amelinen, die in der Vor-Internet- Zeit aufgewachsen sind, waren lange Zeit der Auffassung, dass sie die einzigen Menschen auf der Welt seinen, mit einem so merkwürdigen „Tick“.
Woher sollten Sie wissen, dass es sich bei ihren Phantasien um eine Neigung handelt, die auch Andere in gleicher Weise verspüren?
Obwohl die Betroffenen ihre Neigung kaum erklären und einordnen konnten, spürten sie aber doch schon zu Kinder- und Jugendzeiten, dass es sich um Phantasien handelt, die im Familien- und Bekanntenkreis auf keinerlei Verständnis stoßen würden. Man lebt in der Angst, für geisteskrank und pervers gehalten zu werden. Dies bewirkt, dass fast alle Amelos und Amelinen ihre Neigung vor der Umwelt verschweigen. Selbst der Lebenspartner weiß nur in den seltensten Fällen von der Neigung.
Durch das Internet gibt sich immerhin die Chance, ein wenig mehr über die eigene Neigung zu erfahren. Überhaupt nichts ändert das Internet mit seinen Foren, Websites und Chatrooms aber an dem Schamgefühl und dem permanent schlechten Gewissen.

Schamgefühl

Die meisten Amelos und Amelinen sehen recht selbstkritisch, dass sie gerade durch jene Dinge Lust erfahren, durch die Menschen mit Handicap in ihrem Leben behindert werden, Ausgrenzung erfahren oder Schmerzen erleiden. Handicaps sind im öffentlichen Bild negativ besetzt. Sie werden im gesellschaftlichen Konsens nicht mit Schönheit und sexueller Potenz in Verbindung gebracht. Im Gegenteil.
Viele Amelos – natürlich in unterschiedlich starker Ausprägung – leiden daher zumindest unterschwellig unter einem permanent schlechten Gewissen. Sie spüren den ständigen Widerspruch ihrer Neigung und suchen in einzelnen Fällen verzweifelt nach dem Schalter im Kopf, mit dem man diese Neigung abschalten kann.
Zumindest aber ist dieses schlechte Gewissen und die klare Vorstellung, dass die eigene Neigung keinerlei gesellschaftlichem Konsens entspricht, ein wesentlicher Grund dafür, dass Amelos und Amelinen ihre Neigung vollständig geheim halten.
Das Gefühl, mit niemandem über die eigenen Sehnsüchte sprechen zu können und einen Teil der Persönlichkeit ständig geheim halten und unterdrücken zu müssen, verspüren fast alle Amelos und Amelinen.
Die eine Gruppe geht damit recht locker um. („Es muss ja nicht jeder wissen, was für einen Tick ich habe!“). Andere leiden unter diesem Druck.

Outing

Mit der Durchsetzung des Internets haben sich verschiedene Foren und Chatrooms gebildet, in denen Betroffene erstmalig anonym über ihre Neigung sprechen können, ohne sofort geächtet zu werden. Diese Möglichkeit wird von Vielen als Wohltat und Entlastung empfunden. Allerdings ist für die Allermeisten auch in diesen Foren und Chatrooms die Anonymität Grundvoraussetzung. Dabei wollen zumindest einige Amelos und Amelinen eigentlich aus der Illegalität und Anonymität heraus. So wird in der Amelo-Szene auch regelmäßig darüber diskutiert, ob sich Amelos und Amelinen outen sollten.

Vergleich mit Homosexualität

Bewusst wird der Vergleich zur homosexuellen Szene gezogen und darauf hingewiesen, dass auch die Schwulen und Lesben viele Jahrzehnte benötigt hätten, bis sie sich aus der Illegalität lösen konnten bzw. durften und Homosexualität nicht mehr als Straftatbestand verstanden wurde. Man nimmt interessiert zur Kenntnis, dass sich in der Zwischenzeit z.B. Schauspieler, Entertainer oder Politiker offen zu ihrer Homosexualität bekennen dürfen, ohne dass wirkliche Repressalien zu befürchten wären. („Und das ist gut so!“)

In der Amelo-Szene findet sich die Auffassung, dass die Amelos und Amelinen diesen Weg noch vor sich hätten. Die Frage ist dann nur, wie man diesen Weg einschlagen soll.
Sollen die Betroffenen sich zahlreich outen und so die Gesellschaft zwingen, sich mit dem Tabu-Thema Amelotatismus zu beschäftigen? Oder soll man doch lieber warten, bis die allgemeine Toleranz zugenommen hat, so dass ein Outen nicht mehr so schwer fällt?

Outing gegenüber dem nicht behinderten Partner

Die Frage ist natürlich, was man sich von solch einem Outing erwartet.
Das Ende des Versteckspiels?
„Was soll das denn bringen, wenn man seiner schwarzhaarigen Frau eingesteht, dass man eigentlich von blonden Frauen träumt?“
Tatsächlich erwarten die wenigsten Amelos und Amelinen von ihren Partnern Verständnis.
„Und dann kann man es auch gleich lassen!“
Tatsächlich gibt es nur sehr Wenige, die sich in ihrem sozialen Umfeld als Amelotatisten geoutet haben. Einige trafen auf Verständnis, bei Anderen endete das Outing in einem völligen Beziehungsdesaster.

Outing gegenüber dem behinderten Partner

Besonders schwierig wird es für Männer und Frauen mit amelotatistischer Neigung, die mit behinderten Partnern zusammen leben. Sie spüren, dass es eigentlich der Redlichkeit entspricht, seine Neigung zuzugeben. Längst aber nicht alle haben sich geoutet. Interessanterweise haben wohl insbesondere die „Realo-Amelos“ die größten Hemmungen, ihre Neigung einzugestehen.
„Wenn sie erfährt, dass ich ihren Armstumpf besonders hübsch finde, drückt sie mich sofort in die perverse Ecke und unsere Beziehung bricht auseinander!“

Unerfüllte Sehnsucht

„Die Busen-Fetischisten haben es gut. Überall sieht man Frauen mit dicken Titten!“
Dieser Spruch, der so locker daher kommt, beschreibt auf sehr direkte Weise ein Grundproblem der Amelotatisten. Die Chance, die Traumfrau zu finden, ist äußerst gering.
Bereits das Sehen bzw. Beobachten („sighting“) einer behinderten Frau, die den persönlichen Vorstellungen entspricht, wird als seltenes Erfolgserlebnis betrachtet. Der Wunsch nach realen Kontakten bleibt vielen Amelos verwehrt.
Arg wird die Situation für jene Amelos, die der Auffassung sind, nur mit einem behinderten Partner glücklich werden zu können. Sie spüren natürlich, dass die Chance, die Traumfrau ihres Lebens – die zudem auch noch die Liebe erwidern muss – extrem gering ist.
Einige verfallen mit den Jahren in Depression. Andere versuchen – auch mit zum Teil sehr unlauteren Mitteln – doch noch zum Ziel zu gelangen.

Partialismus: Große Oberweite oder Beinstumpf?

„Der Eine mag Frauen mit blonden Haaren, ich eben Frauen ohne Beine!“
Diesen Satz hört man – fast trotzig ausgesprochen – sehr häufig. Was soll den daran schlimm sein, dass man ein bestimmtes körperliches Merkmal beim Partner besonders anziehend findet?
Unter dem Begriff „Partialismus“ finden sich tatsächlich die unterschiedlichsten Vorlieben, zu Haaren (in bestimmten Längen und Farben), Beinen, Füßen, Pos oder Brüsten. Männliche und weibliche Amelos ordnen sich hier selber ein. Nach ihrer Auffassung ist der einzige Unterschied, dass ihre Zuneigung eben sehr speziellen Körperteilen wie beispielsweise Stümpfen oder gelähmten Beinen gilt.
Sie beklagen, dass der Liebhaber großer Oberweiten seine Neigung öffentlich ausleben darf, höchstens vielleicht als ein wenig „spinnert“ gilt, aber sonst keinerlei gesellschaftliche Ächtung zu befürchten braucht.
Geradezu mit Unverständnis reagieren Amelos, dass die unterschiedlichsten Partialismus-Fetische beispielsweise durch die Möglichkeiten der Mode oder der Schönheitschirurgie sogar gefördert werden, Sei des, dass Haare verlängert oder gefärbt, Beine durch Highheels betont oder Brüste durch Pushup-BHs oder operative Vergrößerungen aufgepumpt werden, Männer, die sich zu XXL-Frauen hingezogen fühlen, dürfen dies am Stammtisch und im Fernsehen ausleben, während Amelos, die einbeinige Frauen schön finden, in die perverse Ecke geschoben werden.
Dabei ist zumindest vielen Amelos und Amelinen insgeheim klar, dass es einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen der Liebe zu langen Beinen und Amputationsstümpfen gibt.

Ist nur das Gesellschaftsbild falsch?

Werden Amelos und Amelinen nur deshalb in die perverse Ecke gedrängt, weil das Bild vom behinderten Körper in der Gesellschaft negativ besetzt ist?
In den letzten Jahren stellen sich immer wieder Menschen mit Handicap für Photoshootings und Filmaufnahmen zur Verfügung, um zu belegen, dass man auch trotz Behinderung attraktiv sein kann. Sie wollen unter anderem damit erreichen, dass ein körperliches Handicap nicht sofort zur Ausgrenzung führt und damit auch ein Stück das Bild von der Behinderung in der Öffentlichkeit verändern.
Mit diesem Ansatz rennen sie bei den Amelotatisten natürlich weit offen stehende Scheunentore ein. Amelos und Amelinen wollen gleich ausrufen:
„Wir haben dieses Bild vom Handicap als Makel nicht.“
„Für uns ist eine Behinderung nichts negatives.“
„Wir finden Männer und Frauen mit Behinderung attraktiv.“
Um so irritierter reagieren die Amelos dann, wenn ihnen entgegen gehalten wird: „Ihr seid ja bloß stumpfgeil!“

Wollen Amelos therapiert werden?

Schwer zu sagen.
Die Frage ist zur Zeit eher theoretischer Natur, denn es gibt weder eine ernsthafte Forschung zu diesem Thema, geschweige denn erprobte Theraphieansätze.
Aus dem Umgang mit anderen Fetisch-Arten weiß man aber, das Therapien nur in sehr begrenztem Maße zum Erfolg führen. „Erfolg“ würde in diesem Fall bedeuten, dass der Amelotatist das Interesse am Handicap verliert und aus der Beschäftigung mit dem Handicap keine „Lust“ mehr gewinnt.
Aber einen solchen Therapiebedarf sehen die meisten Amelos und Amelinen bei sich wohl nicht. Mancher Amelo verspürt allerdings, dass er seine Neigung wohl kaum wird ausleben können. Daher wünschen diese sich, dass jemand den „Schalter im Kopf“ findet, mit dem diese Neigung abgeschaltet werden kann.

Beziehung zwischen Amelotatisten und nicht behinderten Partnern

Können Männer und Frauen, die eine spürbare amelotatistische Neigung besitzen, eine normale Beziehung zu nicht behinderten Partnern aufbauen?
(Wenn in den folgenden Beispielen stets von dem Mann mit Amelo-Neigung die Rede ist, der eine Beziehung zu einer behinderten Frau sucht, dann geschieht dies nur deshalb, weil dies wohl den Regelfall beschreibt. Gleiches gilt natürlich auch für Frauen mit Amelo-Neigung sowie schwule und lesbische Paare.)
In allen Fällen kommt es wohl drauf an, zu welchem Typ die Männer und Frauen mit amelotatistischer Neigung gehören.

Typ „Trenner“

Der „Trenner“ unterscheidet sehr genau zwischen seinen heimlichen Phantasien und dem „real life“. In aller Regel weiß niemand in seinem sozialen Umfeld von seinen geheimen Phantasien. Und dies soll auch weiterhin so bleiben.
Der Trenner sieht seine amelotatistische Neigung als „Tick“. Dieser hindert ihn nicht daran, zu einer nicht behinderten Partnerin eine völlig normale Beziehung aufzubauen.
Leidensdruck entsteht für ihn nicht.

Typ „Träumer“

Der „Träumer“ besitzt eine deutlich ausgeprägte Sehnsucht nach einer behinderten Partnerin. Er hat unterschwellig ständig das Gefühl, dass sich mit der nicht behinderte Partnerin nicht die vollständig innige Liebesbeziehung einstellen kann, die er sich in seinen Phantasien ausmalt. Ständig hat er das Gefühl, einen Teil seiner Persönlichkeit nicht ausleben zu können.
Besonders wenn Beziehungen zu nicht behinderten Partnern in eine Krise geraten, sind „Träumer“ schnell geneigt, die Ursache in der amelotatistischen Neigung zu suchen. So scheint sich das Gefühl zu verstärken, dass nur durch die Beziehung zu einer behinderten Frau sich die erhofften bzw. vermissten Glücksgefühle einstellen.
So kann es vorkommen, dass jahrelange Beziehungen zu nicht behinderten Partnern plötzlich scheitern, ohne das die Partnerin den wahren Grund erfahren wird.

Typ „Sucher“

Der „Sucher“ kann sich eine Beziehung zu einer nicht behinderten Frau überhaupt nicht vorstellen. Jede Beziehung zu einer nicht behinderten Frau ist daher für ihn nur eine Notlösung und kann niemals Erfüllung darstellen.

Beziehung zwischen Amelotatisten und behinderten Partnern

Können Beziehungen zwischen Amelos/Amelinen und behinderten Partnern funktionieren?
Die Bewertungen behinderter Frauen reichen von:
„Ein Amelo ist das Beste, was einer behinderten Frau passieren kann. Endlich fühle ich mich so angenommen, wie ich nun mal bin!“
bis zu:
„Amelos sind ja wohl das durchgeknallteste und perverseste, was ich je erlebt habe!“

Was stimmt denn nun?
Beides!
Fakt ist, dass es Beziehungen gibt, die sehr glücklich sind. Andere enden schnell in einem totalen Desaster.
Nun gibt es unzählige Gründe, warum eine Beziehung scheitert. Hier kann es natürlich nur um den amelotatistischen Aspekt gehen.
Vorstehend wurden verschiedene Amelo-Typen holzschnittartig charakterisiert.

Realo-Amelos

Die beste Prognose, soweit eine solche überhaupt möglich ist, haben Beziehungen mit „Realo-Amelos“. Sie gehen keineswegs naiv in eine Beziehung und wissen, dass die Zahl der Beine nicht beziehungsbestimmend sein kann.

Schönwetter-Amelos

„Schönwetter-Amelos“ besitzen ein eher verklärtes Bild von den Auswirkungen eines Handicaps. Dies kann naiv sein oder die Schattenseiten werden bewusst verdrängt.
Wirklich feste Beziehungen stellen sich selten ein, da man sich dann auch mit dem Alltag des behinderten Partners auseinander setzen müsste. Bevorzugt werden Zweitbeziehungen und eher oberflächliche Kontakte.
Betroffene Frauen, die sich mit „Schönwetter.Amelos“ eingelassen haben, beklagen die oft völlig fehlende Loyalität. Sie fühlen sich als Freizeit-Objekt missbraucht, aber spüren, dass sie als Lebenspartnerin nicht gewollt sind, weil der Amelo letztlich vor den vermuteten Reaktionen der Umwelt zurück schreckt.
(„Na? Hast wohl keine Andere mitbekommen!“)

Partial-Amelos

Partial-Amelos sind ausschließlich auf den behinderten Körperteil (Stumpf, gelähmte Beine) fixiert und suchen hier ihre (sexuelle) Befriedigung. Eine ernste Beziehung wird oft nur vorgeschoben. Entsprechend schmerzhaft verlaufen entsprechende Kontakte: „Den Kerl interessiert überhaupt nicht, dass an dem Stumpf noch eine Frau hängt!“

Sado-Amelos

Wenn sadistische Vorstellungen dominieren und ausgelebt werden wollen, dann können solche Beziehungen gefährlich werden. Dabei müssen sich sadistische Neigungen (die „Lust am Leid“) keineswegs in physischer Gewalt äußern. Oft sind es sehr subtile Maßnahmen, den behinderten Partner in Abhängigkeit zu halten. Solche Beziehungen müssen in einem Destaster enden.

Woran erkennt man denn nun, mit welchem Amelo-Typ man es zu tun hat?
Dies ist mehr als schwierig.
Angeblich sind 70 % aller Auskünfte über die eigene Person in Dating- und Flirtchatrooms wenn schon nicht gelogen, dann doch zumindest geschönt.
So erweist sich der unabhängige Single, der ewige Liebe schwört, irgendwann als verheirateter Familienvater, der lediglich eine „Zweitbeziehung“ für das Ausleben seiner Phantasien sucht.
Aber dieses Zurechtbiegen der Realität ist keineswegs ein alleiniges Problem amelotatistischer Chatrooms.

Ambivalentes Verhältnis

Wenn es also tatsächlich so ist, dass eine Reihe von Amelos und Amelinen gar nicht beziehungsfähig sind, dann müssten Diejenigen, die Frauen und männer mit Behinerungen vor Beziehungen mit Amelos und Amelinen laut warnen, doch im Recht sein.
Tatsächlich ist das Verhältnis aber ambivalent.
Es gibt eine zunehmende Zahl behinderter Frauen (und Männer), die insbesondere über das Internet gezielt die Nähe zur Amelo-Szene suchen, weil sie dort jene Aufmerksamkeit finden, die ihnen in anderen Foren und Chatrooms nicht entgegen gebracht wird.
„Wenn ich in normalen Flirt-Chatrooms erzähle, dass ich im Rolli sitze, wird der Kontakt sofort abgebrochen!“
„Männer sehen mich doch überhaupt nicht als Frau. Die sehen nur meine Krücken!“
In einschlägigen Foren und Chatrooms verwandelt sich dies in das Gegenteil:
„Ich genieße es schon, dass ich hier endlich mal im Mittelpunkt stehe und bewundert werde!“
„Endlich habe ich wieder das Gefühl, begehrt zu werden!“

Chatrooms

Geradezu irritiert sind Chatanfänger/innen, dass sie durch das Handicap, dass bisher stets zur Ausgrenzung führte, in der Amelo-Szene plötzlich im Mittelpunkt stehen. Sie nehmen verwundert zur Kenntnis, das Amelos sie nicht trotz sondern gerade wegen ihres Handicaps begehren. Schließlich entspricht eine solche Amelo-Haltung überhaupt nicht der Alltagserfahrung.
Besonders in der Anonymität des Internets genießen es daher behinderte Frauen, endlich im Mittelpunkt männlichen Interesses zu stehen.
Aber wie bei so vielem, hat dies sehr unterschiedliche Seiten.

Dating-Foren im Internet

In der Zwischenzeit werden bereits spezielle Dating-Foren für Menschen mit Behinderungen im Internet angeboten. Solche Foren ziehen Männer und Frauen mit Amelo-Neigung natürlich an, wie das Honigbrot die Bienen. Es wäre natürlich mehr als scheinheilig, wenn die Betreiber solcher Foren behaupten würden, dass dies nicht einkalkuliert wäre.
Welcher Mann (um beim Regelfall zu bleiben) meldet sich bei einem Flirt-Forum an, bei dem das Handicap das entscheidende Kriterium ist, wenn er keine amelotatistische Neigung besitzt?
Selbst wenn die Aussage stimmen würde, dass ca. 2/3 der Beiträge wenn schon nicht gefakt, dann zumindest nicht so 100-prozentig der Realität entsprechen, dann ist der Zuspruch doch verblüffend.

Hassliebe

Einige behinderte Frauen (und Männer) entwickeln eine ausgeprägte „Hassliebe“ zur Ameloszene.
„Ich will nicht wegen meines Stumpfs geliebt werden!“, ist ein häufig zu hörender Vorwurf.
Sie nutzen ihr Handicap, das sie sonst häufig ausgegrenzt, als Mittel, um Amelos „zappeln“ zu lassen. Dies vermittelt ein Gefühl von Stärke und Überlegenheit, dass sich sonst im Alltag nur selten einstellt.
Chatkontakte gehen so oft nicht ohne blaue Flecken ab.

Stalking

Die Chance, unter normalen, alltäglichen Bedingungen die Traumfrau (den Traummann) zu finden, ist für Amelos und Amelinen extrem gering.
Schon alleine die Chance, die Frau seiner Träume zu sehen, ist nicht besonders hoch. Dies führt dann fast zwangsläufig auch dazu, dass es Männer und Frauen gibt, die dem Zufall nachzuhelfen versuchen. So werden gezielt Orte und Veranstaltungen aufgesucht, an denen jüngere Menschen mit Behinderungen zu erwarten sind. Dies können beispielsweise Reha-Kliniken, Reha-Messen oder Behindertensport-Veranstaltungen sein.
Bewaffnet mit Digitalkameras und Fotohandies, beschafft man sich zumindest Bildmaterial, wenn schon reale Kontakte nicht gelingen.
Tatsächlich tauchen solche Aufnahmen auch im Internet auf. Bedenkt mal allerdings die buchstäblich weltweite Vernetzung, dann ist dieses Bildertauschen ein eher geringes, zumindest aber überschätztes Phänomen.

Amelos in einschlägigenBerufen?

Diskutiert wird, ob in einschlägigen Berufen, wie der Orthopädiemechanik oder der Pflege, überdurchschnittlich viele Frauen und Männer mit amelotatistischer Neigung arbeiten.
Zahlenmaterial gibt es dazu natürliches keines. Aber unwahrscheinlich ist dies nicht. So berichtete ein oberschenkelamputierter Mann:
„Mein Orthopädiemechaniker hat so auffällig lange an meinem Stumpf herumgeknetet, dass es richtig unangenehm wurde. Der ist bestimmt ein schwuler Amelo!“
Viele Männer und Frauen mit Behinderung erfahren erst spät von dem Phänomen Amelotatismus. Im Rückblick erinnern sie sich vereinzelt an Begegnungen mit Personen, die wohl eine amelotatistische Neigung besaßen.
So erinnerte nsie sich an Personen, von denen sie verfolgt wurden oder spürten, dass sie fotographiert wurden.

Kommerzielle Angebote

Wo eine Nachfrage erkannt wird, die man kommerziell bedienen kann, ist auch bald ein entsprechendes Angebot vorhanden.

Filme und Bilder

Das Sammeln von Bildern und das Mitschneiden von entsprechenden Fernsehberichten ist für die Amelo-Szene typisch. Natürlich handelt es sich um fetischtypische „Wichsvorlagen“. Was sonst?
(Ich weiß, man kann das auch anders ausdrücken.)
Es bleibt daher nicht aus, dass einige Frauen und Männer dieses Verlangen nutzen, um mit dieser Nachfrage Geld zu verdienen. Sie bieten von sich, beziehungsweise anderen behinderten Frauen, Filme und Bilderserien an.
Vor Internet-Zeiten geschah dies sehr versteckt über jene Kanäle, die auch andere Fetische mit Material versorgten. Das Internet hat den weltweiten Vertrieb natürlich erheblich erleichtert, Gleichzeitig gefährdet das Internet auch diese Angebote gleich wieder!
Schon wenige Wochen nach der Veröffentlichung ist dieses Material über einschlägige Tauschbörsen kostenfrei zu erhalten. Dies bremst die Umsätze der Anbieter natürlich massiv aus. So ermahnen sich Amelos und Amelinen (allerdings mit wenig Erfolg) gegenseitig, den Tausch nicht zu früh zu starten, damit die wenigen Quellen nicht versiegen.
Entsprechend groß ist das Angebot daher nicht.

Meetings

Einige wenige Veranstalter, überwiegend aus Ostblockländern, bieten Meetings an, auf denen Männer mit amelotatistischer Neigung ein Wochenende bzw. eine Woche mit behinderten Frauen verbringen können. Der kommerzielle Hintergrund dieser Treffen ist offensichtilich. So seien diese Meetings nichts anderes als bordellähnliche Veranstaltungen, die mehr schlecht als recht mit einem kulturellem Rahmenprogramm getarnt werden.
Die Resonanz ist gering. Nach buchstäblich weltweiter Werbung über das Internet machen sich kaum mehr als 20 Männer pro Jahr nach Moskau oder St. Petersburg auf. Vielleicht sind es einfach die hohen Kosten und der Aufwand, unter einem Vorwand nach Moskau zu reisen, die diese Angebote nicht zu einem besonderen Erfolg werden lassen.

Prostituierte

Die Bereitschaft, für entsprechende Kontakte zu behinderten Frauen Geld zu bezahlen, ist dagegen deutlich höher. Einige Amelos suchen gezielt nach behinderten Huren und beklagen, dass das Angebot viel zu gering sei. Tatsächlich bieten sich aber auch einige wenige behinderte Frauen gezielt als Prostituierte an.

Fördert das Internet Amelotatismus?

Ja und nein.

Das Internet löst Amelotatismus nicht aus

Jemand, der keine Amelo-Neigung besitzt, wird auch durch das noch so intensive betrachten der unterschiedlichen „Internet-Angebote“ nicht zum Amelotatisten. Bilder, die Menschen mit Handicap zeigen, werden eher Desinteresse auslösen, irritieren oder sogar als unangenehm bis abstoßend empfunden.

Das Internet fördert Amelotatismus

Auf das „Lonely-Wolf-Problem“ wurde an anderer Stelle schon hingewiesen. Durch das Internet werden sich viele Betroffene erst ihrer Neigung bewusst und erhalten durch die verschiedensten Internet-Angebote die Möglichkeit, ihre Neigung zumindest in einem bestimmten Sektor auszuleben. Amelotatistische Neigungen werden somit durch das Internet intensiviert, was von den Betroffenen aber durchweg nicht als negativ angesehen wird. Die Meisten empfinden das Internet als Befreiung von selbstgewählter Isolation.

Internet macht süchtig!

Diese Feststellung gilt ja keineswegs nur für den Bereich des Amelotatismus. Da das Internet für Amelos aber fast die einzige Plattform ist, um die eigene Neigung auszuleben, gilt diese Feststellung für Amelos in besonderer Weise.
Die Sucht besteht auch darin, dass die Reize mit der Zeit immer stärker werden müssen. Genügte zu Beginn ein einfaches Bild, so muss die Dosis immer höher werden, damit sich entsprechende „Lust“ einstellt.

Im Ansatz rennen sie bei den Amelotatisten natürlich weit offen stehende Scheunentore ein. Amelos und Amelinen wollen gleich ausrufen:
„Wir haben dieses Bild vom Handicap als Makel nicht.“
„Für uns ist eine Behinderung nichts negatives.“
„Wir finden Männer und Frauen mit Behinderung attraktiv.“
Um so irritierter reagieren die Amelos dann, wenn ihnen entgegen gehalten wird: „Ihr seid ja bloß stumpfgeil!“

 

Mancophilie

Ich schlage die Definition Mancophilie (lat. mancus = behindert, gebrechlich, verstümmelt, unvollständig, mangelhaft, schwach, -philos gr. = Freund) vor; abgeleitet von homo mancus (lat.) = behinderter Mensch, als Oberbegriff für die Liebe zu Menschen, die körperlich eingeschränkt, körperlich anders sind.

Es gibt einige Begriffsbestimmungen für dieses Phänomen wie: „Abasiophilie“, „Amelotaphilie“, „Akrotomophilie“, „Amputophilie“, „Apotemnophilie“, „Amputations-Fetischismus“, „Amelotasis“, „Amelotatismus“, „Amputismus“, „Deformationsfetischismus“, „Deformitätsfetischismus“, „Devotismus“, „Ergophilie“, „Morphophilie“, „Hobbyismus“ „Partialismus“ oder „Teratophilie“.Üblich für amputophile Menschen ist der Begriff „Amelotatist“ oder „Amelo“, die weibliche Form dafür ist „Ameline“, geprägt von „Angelique“ (www.angelique.at). Menschen im deutschsprachigen Raum, die Rollstuhlfahrer erotisch finden, bezeichnen sich selbst als „Devotees“. Da viele der Amelos oder Devotees mit der Bezeichnung unglücklich und schon länger auf der Suche nach einem neuen Terminus sind, möchte ich die Bezeichnung „Mancophilie“ vorschlagen, die ich treffender und nicht ganz so eingrenzend finde. Nach langem Überdenken kam mir dieser Ausdruck in den Sinn, nachdem ich viele andere nicht so passende Termini verworfen hatte.

Die Mehrheit der Mancophilen scheint auf fehlende Gliedmassen fixiert zu sein. Das Phänomen ist aber insgesamt viel komplexer und facettenreicher. Es betrifft fehlende Gliedmassen, kongenital (z. B. durch Amniotisches Band Syndrom, teratogen, unklarer Genese, genetisch bedingt oder verursacht durch Thalidomid) oder amputiert, durch Unfall oder Krankheit, umfasst aber auch Menschen mit Fehlbildungen, Lähmungen, Spastiken, Sprachstörungen, Hinken, Gehörlosigkeit, starken Sehschwächen, Schielen, Blindheit, Stottern usw. Auch faszinieren Hilfsmittel wie Prothesen, Orthesen, Rollstühle, Krücken, Beinschienen, Gips, Korsetts und sogar starke Brillen. Also alles, was ein körperliches Manko darstellt. Man ist sich in der Fachwelt noch nicht ganz einig darüber, ob es sich bei der Mancophilie um eine Form der Paraphilie oder um eine unübliche seltene normale Vorliebe handelt.

Wer ein wenig im Netz herumblättert, findet zum Beispiel Erklärungen auf Wikipedia unter: Attraction to Disability

Der Artikel ist sehr ausführlich und informativ.

 

Pretender

To pretend, engl. = etwas vorgeben, so tun als ob

Pretender geben eine Behinderung vor und ziehen daraus ihre Erregung. Für Pretender ist es sehr wichtig nicht behindert zu sein, aber sie haben ein tiefes Bedürfnis zu verstehen und zu fühlen wie es ist eine Behinderung zu haben. Sie benutzen entweder einen Rolli, laufen mit Beinschienen oder Krücken. Die meisten Pretender geben ein fehlendes Bein oder einen fehlenden Arm vor. Die meisten Pretender benutzen regelmäßig ihr Equipment ausschließlich in ihren vier Wänden. Andere machen vielleicht einen kleinen „Spaziergang“ im Freien. Das passiert oft nachts oder in einer fremden Stadt. Es wird unterschieden zwischen inaktiven Pretendern, die gerne pretenden würden, es aber noch nicht probiert haben und aktiven Prentendern, die das benötigte Equipment besitzen und es regelmäßig zu Hause oder, in einer weiteren Stufe, öffentlich benutzen. Es gibt mehr männliche als weibliche Pretender, sie werden auf eine Promille der Bevölkerung geschätzt.
Man nimmt an, dass eine kleine Anzahl der Pretender auch Amelotatisten sind.

Motive für das Pretenden

Durch das Pretenden können Männer und Frauen ihre Wannabe- Phantasien zumindest ein Stück weit ausleben.

Techniken
Pretender, die sich selber als querschnittgelähmt sehen, haben es in diesem Fall relativ einfach. Sie brauchen keine besonderen Techniken zu entwickeln. Einem Rollstuhlfahrer sieht man schließlich nicht an, ob er zu den Pretendern gehört.
Deutlich ausgefeilter sind die Techniken derjenigen, die eine Amputation simulieren. Vom einfachen Gürtel über elastische Binden bis hin zu mehreren Lagen Stützstrümpfen reichen die Techniken, mit denen Arme oder Beine hochgebunden werden.
Eine weitere Tarnung erfolgt mit entsprechenden Kleidungsstücken.
Einige Pretender schaffen es, über mehrere Stunden ihre Arme oder Beine hochzubinden.
Der Kick der Öffentlichkeit
Wohl kein Pretender möchte entlarvt werden. Für die meisten vollzieht sich das Pretenden daher in aller Heimlichkeit. Sie entwickeln alle möglichen Strategien, damit ihr „Spiel“ nicht entdeckt wird und haben sich Ausreden zurecht gelegt, falls sie die Existenz von elastischen Binden, Orthesen, Krücken oder Rollstühlen erklären müssen.
Für Andere wiederum gehört das pretenden in der Öffentlichkeit, und damit die Reaktion der Umwelt, zum „Spiel“ hinzu. „Es ist der totale Kick, wenn mich Leute mitleidig anschauen!“ Meist legen die Pretender dafür größere Strecken zurück und pretenden an Orten, wo die Gefahr, erkannt zu werden, nur gering ist.

Pretenden als erotisches Spiel
Durch das Internet haben sich die Möglichkeiten, einen Partner mit gleichen Vorlieben zu finden, deutlich erhöht. Einige Amelos suchen auch gezielt nach Frauen mit Wannabe-Phantasien zum gemeinsamen Ausleben der Neigungen. Ihnen ist der Umgang mit Wannabe-Frauen fast lieber, als mit real behinderten Frauen, da sich hier das schlechte Gewissen nicht einstellt. Das gemeinsame Pretenden entwickelt ich zum erotischen Spiel. PretenderInnen genießen das Begehrt-Werden. „Ich finde es total geil, so hilflos und ganz auf den Freund angewiesen zu sein und ich genieße es, dass ihn mein pretenden anmacht!“

Pretenden als Sucht
Pretenden kann alle Formen einer Sucht annehmen. PretenderInnen berichten von dem Verlangen, immer öfter und immer länger zu pretenden. Soweit es die Lebensumstände zulassen, verbringen einige einen großen Teil ihrer freien Zeit im Rollstuhl oder mit hochgebundenen Armen oder Beinen. Dieses suchtartige Verlangen darf nicht automatisch mit BIID gleichgesetzt werden, auch wenn sehr häufiges und sehr intensives Simulieren einer Behinderung auf BIID hindeuten kann.
Und um noch einmal den Vergleich zur Transsexualität heran zu ziehen:
Das starke Verlangen, ständig in den Kleidern und damit in die Rolle des anderen Geschlechts hinein zu springen, bedeutet keineswegs zwangsläufig, dass man auch eine Geschlechtsumwandlung möchte.

Vorbehalte
Während behinderte Frauen und Männer Amelos und Amelinen zumindest zu einem gewissen Grad Verständnis entgegen bringen können, stößt das Pretenden (genauso wie das Wannabe-Phänomen und BIID) in aller Regel auf massive Ablehnung.

Häufig wird angeführt, dass Pretender beispielsweise zu unrecht Behindertenparkplätze in Anspruch nehmen würden. Solche Fälle mag es geben. Auch gibt es Pretender, die es genießen, wenn Ihnen als Rollifahrer oder vermeintlich Amputierter die Tür offen gehalten wird. Aber eine ganze Reihe von Pretendern, wenn sie überhaupt außerhalb der Wohnung pretenden, achten schon sehr gezielt darauf, dass es zu solchen Situationen nicht kommt. Alleine schon, um das eigene Gewissen zu beruhigen.

 

BIID (Xenomelie)

„Sebastian“ hat dieses Schriftstück entworfen und mir zur freien Verfügung überlassen. Vielen Dank dafür! Sebastian hat seine Erfahrungen, die er im Laufe von circa vier Jahren im Chat gesammelt hat, in mühevoller Kleinarbeit zusammengestellt.

Über Anregungen und Kritik hierzu würde ich mich freuen.

BIID: Psychische Erkrankung oder Spinnerei?

Vorausgesetzt, man ist mit einer gehörigen Portion Toleranz ausgestattet, kann man dem Amelotatismus, dass heißt letztlich der „Lust an der Behinderung“, noch ein wenig Verständnis abgewinnen und als Spinnerei oder Fetisch abtun.
Völliges Unverständnis wird dagegen dem Wannabe-Phänomen bzw. der BIID-Erkrankung entgegen gebracht, die als „Lust an der Selbstverstümmelung“ verurteilt werden.
Da BIID als „psychische Erkrankung“ bisher nicht anerkannt wurde, findet auch eine seriöse Forschung zu diesem Thema nicht statt. Im Internet findet man nur wenig erhellendes. Manche Medien nutzen das Wannabe-Phänomen bzw. BIID als reißerischen Aufmacher.

Apotemnophilie

Dr. John Money, Professor an der amerikanischen John-Hopkins-University und Sexualforscher schuf 1977 den Begriff „Apotemnophilie“ und beschrieb das Wannabe-Phänomen als extremen sexuellen Fetisch. Danach würden Betroffene ihre Gliedmaßen abtrennen, um besseren Sex zu haben.
Natürlich besitzt das Wannabe-Phänomen eine sexuelle Komponente. Insgesamt aber wird man dem Wannabe-Phänomen bzw. der BIID-Erkrankung mit dieser Einschätzung nicht gerecht.

Gibt es einen Unterschied zwischen Wannabe-Phänomen und BIID?

Ja, ganz klar.
Wobei zugegeben werden muss, dass die Abgrenzung zwischen Wannabe-Gefühlen und BIID nicht ganz einfach ist. Auch für die Betroffenen selber scheinen die Unterschiede nicht immer richtig wahrnehmbar zu sein. Zumindest nicht in der Selbsteinschätzung.

„Wenn man den Wannabes erlauben würde, sich legal amputieren zu lassen, würden die meisten wohl schnell kneifen!“, ist ein recht häufig zu hörender Spruch. Da mag etwas Wahres daran sein, aber die Sache ist auch deutlich komplizierter. Es geht also nicht um „echte“ und „falsche“ Wannabes, sondern um zwei verschiedene Phänomene, die allerdings sehr eng beieinander liegen.
Tatsächlich ist es notwendig, zwischen dem Wannabe-Phänomen und BIID zu unterscheiden.
Zur Abgrenzung der Versuch einer ersten Definition:

Die Wannabe-Neigung zählt zu den Sexualfetischen und kann mit dem Amelotatismus verglichen werden.
(Die „Lust an der eigenen Behinderung“)

BIID ist eine gestörte bzw. veränderte Wahrnehmung des eigenen Körpers und zeigt eher Nähe zum Phänomen der Transsexualität.

Warum ist eine Unterscheidung so wichtig?

Wie im folgenden noch darzustellen sein wird, ist BIID als psychische Erkrankung anzusehen, die der Behandlung bedarf. Solange jedoch BIID mit dem Wannabe-Phänomen verwechselt bzw. gleichgesetzt wird, zeichnet ich keine Entwicklung ab, die den BIID-Betroffenen Hilfe bringen könnte. Um sich von den Wannabes abzugrenzen, bezeichneten sich BIID-Betroffene auch schon als „Needtobes“, um zu verdeutlichen, dass BIID keine verquere sexuelle Spinnerei ist.

Das Wannabe-Phänomen

Wannabe-Phänomen Bei der Wannabe-Neigung zeigen sich Parallelen zum Amelotatismus. Allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass die Behinderung auf den eigenen Körper projiziert wird.

Amelotatismus : Projektion der Behinderung auf eine andere Person
(Wunsch, die Behinderung bei einer anderen Person zu erleben)

Wannabe-Phänomen : Projektion der Behinderung auf die eigene Person

Immer findet sich das Interesse an der Behinderung. So ist es keineswegs Zufall, dass sich Wannabes häufig gleichzeitig auch als Amelos sehen.
Bei dem Wannabe-Phänomen handelt es sich um eine von Person zu Person unterschiedlich stark ausgeprägte Phantasie, eine Behinderung selber an sich zu erleben. Bei Einigen findet sich immer die gleiche Phantasie (z.B. Querschnittlähmung, Oberschenkelamputation). Bei Anderen wechseln die Phantasien zwischen verschiedenen Behinderungsarten. Auffallend häufig findet sich der Wunsch nach einer einseitigen Oberschenkelamputation. Ebenso findet sich aber auch das Verlangen, einen Arm zu verlieren, oder gleich mehrfach amputiert zu werden. Eine weitere Gruppe bilden jene BIID-Betroffenen, die eine Querschnittlähmung erhalten wollen. Deutlich weniger findet sich der Wunsch nach Sinnesbehinderungen. Ähnlich wie bei den Amelotatisten, scheinen verschiedene Motive diesen Wünschen nach Behinderung zu Grunde zu liegen.

Motive

Die Fürsorge-Wannabes

Ähnlich dem Helfersyndrom beim Amelotatismus scheint es bei der Wannabe-Neigung ein Fürsorgemotiv zu geben. Danach suchen die Betroffenen nach besonderer Zuwendung und Aufmerksamkeit.

Beispiele solcher Phantasien:

1. Eine Frau träumt davon, durch einen Unfall oder Krankheit eine Behinderung zu erfahren, durch die sie im Freundeskreis ausgegrenzt wird. Es erscheint dann der Prinz (der Amelo), der die behinderte Frau endlich als Frau akzeptiert. Es kommt zu einer innigen Beziehung mit einem erfüllten Sexualleben, welches die Behinderung stark einbezieht.

Oder:

2. Eine Frau träumt davon, dass sie gleich vierfach amputiert wird, so dass sie völlig hilflos wird und ständig auf Fürsorge (waschen, Toilette, Füttern, …) angewiesen ist und umsorgt werden muss.

Partial-Wannabes

Bei Partial-Wannabes besteht eine starke Fixierung auf den Amputationsstumpf. Auffallend ist, dass insbesondere auch Partial-Wannabes eine sehr konkrete Vorstellung von der Form ihres Stumpfes besitzen. Beim erträumten Sex mit dem Partner steht der Stumpf im Mittelpunkt, wird von beiden Seiten bewundert und erweist sich als hoch erogen. So findet sich auch die Deutung des Stumpfes als Phallussymbol.

Maso-Wannabes

Ähnlich wie es sich bei den Amelotatisten ein Sado-Motiv gibt, findet sich bei den Wannabes ein Maso-Motiv, verstanden als die „Lust am eigenen Leid“. Deutlich wird dies an Phantasien, die bestimmten Stereotypen folgen. Dabei verknüpften sich Amputations- mit Gewaltphantasien, indem eine andere Person die Hilflosigkeit ausnutzt und es zu psychischer und körperlicher Gewalt kommt. Verschiedentlich verbindet sich dies mit Vergewaltigungsphantasien.

Beispiel:
Eine Frau wir durch Unfall amputiert, erfährt dies, als sie im Krankenhaus aufwacht, bricht nervlich zusammen und leidet in der Folgezeit stark unter den Einschränkungen, die die Behinderung mit sich bringt.

oder:
Eine Person wird Opfer einer Entführung. Zur Bestrafung werden dem „Opfer“ Körperteile amputiert. Manchmal auch schrittweise, ohne dass die Person irgendwelche Hilfen erfährt.

Apotemnophilie

Eine besondere „Spielart“ scheint die Apotemnophilie zu sein, bei der die „Lust“ aus dem Amputationsvorgang selber entsteht. Ein sehr drastisches Beispiel verknüpft sich zusätzlich mit kannibalistischen Motiven.

Beispiel:
So erzählt eine Person von ihrer Phantasie, bei vollem Bewusstsein miterleben zu wollen, wie Personen ihres Vertrauens ihr ein Körperteil nach dem anderen amputieren und in Anwesenheit anschließend verspeisen.Bei wiederum einer anderen „Spielart“ steht das amputierte Körperteil im Mittelpunkt der Phantasie. Dabei soll beispielsweise das amputierte Bein oder der Arm wie eine Trophäe präpariert, ausgestellt und bewundert werden.

Behinderung als Lustgewinn

Bei allen Unterschieden ist den Phantasien gemeinsam, dass die Behinderung mit „Lust“, in der Regel auch sexueller Lust, verbunden wird.

Phantasie oder realer Wunsch?

Die vorstehenden Beispiele erscheinen drastisch. Dabei ist zu bedenken, dass es sich in der überwiegenden Zahl um Phantasien handelt. Diese sind allerdings unterschiedlich stark ausgeprägt. So gibt es Frauen und Männer, die in sehr starkem Maße von diesen Phantasien eingenommen werden. Andere wiederum tragen die Wannabe-Phantasien als „Tick“ mit sicher herum, der sie ab und zu in Tag- und Nachtträumen einholt, der aber in keinem Zusammenhang zum realen Leben steht.Hier ist zwischen „aktiven“ und „passiven“ Wannabes zu unterscheiden.

„passive“ Wannabes

Bei passiven Wannabes spielt sich Phantasie alleine im Kopf ab.

„aktive“ Wannabes

Aktive Wannabes versuchen ihre Phantasien in soweit real auszuleben, als sie pretenden. (s.u.) Eine weitere Möglichkeit, seine Träume auszuleben, bietet das Internet. Ähnlich Rollenspielen wird in Chatrooms der Traum von der Behinderung „gespielt“.

Der Unterschied zwischen Wannabe-Phänomen und BIID

Was unterscheiden nun diese vorstehenden Wannabe-Phantasien von BIID? Sowohl Wannabes als auch BIID-Betroffene sehen sich in ihren Phantasien schließlich als amputiert oder gelähmt.

Veränderte Körperwahrnehmung

Bei dem BIID-Betroffenen verwandelt sich die Phantasie von einer Behinderung zu einem realen Körpergefühl. BIID-Betroffene besitzen das Gefühl, im falschen Körper zu leben. Sie bezeichnen ihren Körper als „nicht perfekt“ oder „übervollständig“, Die zu amputierenden Körperteile werden als Fremdkörper, als Belastung, empfunden.
(„Ich hasse meine Beine!“)
Es wird häufiger der Vergleich zur Transsexualität gezogen, bei der die Betroffenen gezwungen sind, im Körper des falschen Geschlechts zu leben.

Lust und Leid

Woran kann man aber nun erkennen, ob „lediglich“ starke Wannabe-Gefühle oder aber eine BIID-Erkrankung vorliegt?

Hierfür gibt es noch keine klare Diagnostik. Es scheint aber einige Merkmale zu geben, die als Indikatoren für BIID dienen können:

Klares Körperbild

BIID-Betroffene tragen ein sehr konkretes, in der Regel sich nicht veränderndes Körperbild in sich. Sie können auf den Zentimeter genau angeben, an welcher Stelle sie amputiert werden wollen oder wie hoch die Lähmung sitzen soll. D.h., sie können klar beschreiben, welcher Teil des Körpers als Fremdkörper empfunden wird.

Leidensdruck

BIID-Betroffene empfinden keine Lust bei der Vorstellung operiert zu werden. Vielmehr baut sich über Jahre hinweg durch das Gefühl, im falschen Körper zu leben, ein starker Leidensdruck auf, dieser Leidensdruck zeigt sich in unterschiedlicher Form. Bei Vielen ist er permanent vorhanden, bei Einigen verläuft er eher wellenförmig, d.h. die Betroffenen erleben Phasen, in denen der Leidensdruck als besonders stark und quälend empfunden wird.
Allen ist gemeinsam, dass der Leidensdruck mit der Zeit immer stärker wird. Der Gedanke, den falschen Körper zu besitzen ist permanent vorhanden und beeinflusst die Lebensqualität schließlich erheblich. So empfinden (erhoffen) alle BIID-Betroffenen für sich, dass durch eine Operation (Amputation, geschaffene Lähmung) die Lebensqualität deutlich verbessert wird.

Pretenden

Alle BIID-Betroffenen pretenden, um den „Druck“ abzubauen. Dabei muss die „Dosis“ ständig erhöht werden. Es wird, soweit die Lebensumstände dies überhaupt zulassen, immer häufiger und länger pretendet, wobei die „Entlastung“ immer geringer ausfällt.

Wunsch nach Hilfe

BIID-Betroffene wollen konkrete Hilfe, denn durch ihre BIID-Erkrankung spüren sie einen deutlichen Verlust an Lebensqualität. In erster Linie findet sich dabei der Wunsch, den Körper zu bekommen, der als Bild schon lange im Kopf vorhanden ist. Andere, die die Chance auf eine körperverändernde Operation eher als gering einstufen, hoffen, durch eine Psychotherapie von BIID geheilt zu werden.

Wie entsteht BIID?

Zur Entstehung von BIID, insbesondere auch in Abgrenzung zum Wannabe-Phänomen, gibt es bisher keine überzeugenden Erklärungen.

Typische BIID-Lebensläufe

Ein typischer BIID-Lebenslauf lautet:

In jungen Jahren, oft bereits vor der Pubertät, werden Behinderte im sozialen Umfeld bewusst wahrgenommen. Spätestens ab der Pubertät, oft schon früher, entwickelt sich dann der Wunsch, diese Behinderung an sich selber zu spüren, was zum pretenden, d.h. zum „nachspielen“ einer Behinderung führt. Zu Beginn hat das Pretenden eher etwas spielerisches. Mit der Zeit wird der Drang zum Pretenden jedoch immer stärker. Das Pretenden wird als immer unbefriedigender empfunden und der Wunsch, die Behinderung real zu besitzen, immer dominanter. Als junger Erwachsener nimmt der Leidensdruck dann so stark zu, dass von einer BIID-Erkrankung gesprochen werden muss.

Wurzel Amelotatismus?

Entwickelt sich BIID aus einer Amelotatismus-Wurzel, oder ist die Ähnlichkeit mit Amelotatismus nur eine zufällige? Trägt der BIID-Betroffene das veränderte Körperbild bereits in sich und wird der Wunsch mit der Entwicklung nur „zum Leben“ erweckt, oder entwickelt sich BIID im 2. und 3. Lebensjahrzehnt aus Wannabe-Phantasien heraus, die sich „verselbständigen“?

Zwei Modelle sind denkbar:

Modell 1

Schlüsselerlebnis
bzw.
erste bewusste Wahrnehmung von Behinderung im Kindesalter

Amelotatistische Phantasien Neugier, die Behinderung am eigenen Körper zu spüren
(pretenden)
Entwicklung von Phantasien
(Wannabe-Phänomen)

„Verselbständigung“ der Phantasien
(BIID-Erkrankung)

Nach dem vorstehenden Erklärungsmodell könnte man BIID für eine Wannabe-Neigung halten, die sich „verselbständigt“.
Aber ist dies wirklich so?

Vielleicht gibt es auch folgendes Entwicklungsmodell:

Entwicklung einer bereits im Kinderalter vorhandenen BIID-Erkrankung latent verändertes Körperbild seit der Kinderzeit
Schlüsselerlebnis
bzw.
erste bewusste Wahrnehmung von Behinderung
(„Erwecken“)
Neugier, die Behinderung am eigenen Körper zu spüren
(pretenden)

„Verselbständigung“ der
Phantasien
(BIID-Erkrankung)

„Point-of-no-return“? Einige BIID-Betroffene schildern, dass das starke Gefühl, nicht den „richtigen“ Körper zu besitzen, nicht bereits in der Jugend spürbar war. Vielmehr scheint es eine Art „BIID-Karriere“ zu geben, die mit dem eher spielerischen Pretenden, dass heißt, dem Simulieren einer Behinderung beginnt, um am eigenen Körper zu spüren, wie sich eine Behinderung anfühlen könnte. In späteren Jahren intensiviert sich dann dieses Verlangen und nimmt suchtartige Züge an mit immer häufigerem und immer längerem pretenden. Aus dem „Spiel“ wird schließlich reales Verlangen.
Handelt es sich bei BIID also um Wannabe-Phantasien, die sich verselbstständigt haben und über die der Betroffene keine Kontrolle mehr besitzt?
Gibt es somit so etwas wie einen „Point-of-no-return“, ab dem sich die Wannabe-Phantasien in eine BIID-Erkrankung verwandeln?

Vielleicht ist dies so.
Andererseits entwickelt sich aus Wannabe-Phantasien nicht zwangsläufig eine BIID-Erkrankung. Auch wenn einige Wannabes die entsprechenden Phantasien sehr regelmäßig und intentsiv in Tag- und Nachtträumen erleben, stellt sich dann doch der Schritt zur BIID-Erkrankung nicht immer ein.

Klärungsbedarf Gerade zur Entstehung von BIID ist noch viel Grundlagenarbeit zu leisten, um zu möglichen Therapieformen zu finden.
Kann es möglich sein, dass bei dem rechtzeitigen Einsetzen von Therapien im „Wannabe-Stadium“ eine Heilung zumindest aber Linderung noch möglich ist, während nach dem Überschreiten des „point-of-no-return“ dies nicht mehr möglich ist?

Ursachenforschung für
den Theraphieansatz Für die Entwicklung möglicher Therapien ist die Ursachenerforschung von grundlegender Bedeutung. Ist das Körperbild des BIID-Betroffenen bereits in der Kinderzeit im Kopf abgelegt, dann wären die Theraphie-Möglichkeiten sicherlich andere, als wenn sich BIID in späteren Jahren als „Sonderform“ aus amelotatistischen Neigungen und Wannabe-Phantasien entwickelt.

Anerkennung von BIID als psychische Störung

BIID-Betroffene hoffen darauf, dass BIID in das DSM, das ¸¸Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen“ aufgenommen und damit als Krankheit anerkannt wird.
Das Problem von dem
Huhn und dem Ei Dies setzt aber wohl voraus, dass sich mit dem BIID-Phänomen überhaupt wissenschaftlich auseinandergesetzt wird. Solange es aber an der grundsätzlichen Bereitschaft fehlt, BIID als Erkrankung wahrzunehmen, wird auch keine intensivere wissenschaftliche Forschung einsetzen.

Über die Gründe, warum sich bisher keine Universität mit dem Problemkreis BIID befasst, kann nur spekuliert werden. BIID ist keine Erkrankung, die als „Massenphänomen“ wahrgenommen wird. Eine amerikanische Quelle benennt, dass jeder 30.000-ste betroffen wäre. Damit ist wohl für Außenstehende kein akuter Handlungsbedarf erkennbar.
Die Beschäftigung mit BIID „strapaziert“ das medizinische Selbstverständnis zudem in starkem Maße. Ein Wissenschaftler, der sich mit BIID beschäftigt, kann nicht damit rechnen, bei dem größeren Teil seiner Berufskollegen und in der Gesellschaft auf Verständnis zu stoßen. Damit ist zu bezweifeln, ob sich eine wissenschaftliche Beschäftigung mit BIID karrierefördernd auswirkt.
Andererseits ist es in der Wissenschaft nicht ungewöhnlich, sich auch mit schwierigen Phänomenen zu beschäftigten, was vielleicht dann doch wieder etwas Mut macht.

Ansätze wissenschaftlicher Bewertung

Die öffentliche Wahrnehmung des Phänomens begann 1977, als drei amerikanische Psychiater erstmals über Apotemnophilie schrieben, wörtlich: „die Lust am Abschneiden“. Auswirkungen hatte dieser Beitrag nicht.

Bekannt wurde das Handeln des schottischen Arztes Robert Smith aus Falkirk, der im Februar 2000 zwei gesunden Menschen die Beine amputierte.
Die BBC berichtete über diese Operationen, was zu heftigen Reaktionen führte. Die Ärztekammer und das Schottische Nationalparlament verboten weitere Eingriffe. Zum Einen gab es erhebliche ethische Bedenken. Gleichzeitig befürchtete man einen Anstrum von BIID-Betroffenen. (TAZ, 6.4.2006)
Kurz darauf verfasste jener Robert Smith mit dem New Yorker Kinderpsychologen Gregg Furth, einem Schüler von Kübler-Ross, Co-Autor des Aufsatzes von 1977 (s.o.), ein Buch über BIID. Die beiden Wissenschaftler vergleichen BIID mit anderen „angeborenen Konditionen“ wie Homosexualität oder Alkoholismus. (SZ, 16.12.2005) Darin stellt Furth die These auf, dass „Therapie, Medikamente und Operationen eingesetzt werden dürfen, damit die Betroffenen vollständig leben können“. (TAZ, 6.4.2006) Dabei ist zu berücksichtigen, dass Furth selber BIID-Betroffener ist.

Auch die TAZ beschäftigte sich immerhin in einem Titel am 6.5.2006 mit dem Thema BIID. Der Artikel war vergleichsweise sachlich, wenn auch der Titel „Die Lust am Abschneiden“ die Problematik überhaupt nicht traf.

BIID als Sonderform von BDD?
Dr. Kathrine Phillips, Psychologie-Professorin an der amerikanischen Brown University und anerkannte Expertin für „body dysmorphic disorder“ (BDD), äußerte die Vermutung, dass es sich bei BIID eventuell um eine besondere Form von BDD handeln könnte.
Bei BDD haben die Betroffenen, wohl in der Überzahl Frauen, ein gestörte Wahrnehmung ihres eigenen Körpers. So wird der eigene Körper in der Regel als hässlich empfunden, was unter anderem zu einer Vielzahl oft völlig unnötiger Schönheitsoperationen führt.

BIID-Betroffene mögen hier sofort Parallelen sehen.
„Die eine BDD-Betroffene hält ihre Nase für zu lang, ich mein Bein!“
Dr. Kathrine Phillips ist sich jedoch nicht sicher, ob eine solche Gleichsetzung zulässig ist. BDD-Betroffene möchten immer perfekter aussehen und einem allgemeinen, gesellschaftlicher Norm entsprechenden Schönheitsideal entsprechen. Bei BIID-Betroffenen gehe es dagegen nach allgemeiner Auffassung um eine Form von Verstümmelung.
Hier wiederum wird von BIID-Betroffenen eingewendet, dass es auch ihnen darum gehe, in einem für sie selber perfekten Körper zu leben.

Folgen der BIID-Erkrankung
Isolation

Wannabes und BIID-Betroffene haben mit Amelotatisten gemeinsam, dass sie sehr schnell erkennen, dass ihre Gedanken nicht gesellschaftlicher Norm entsprechen. In den allermeisten Fällen wissen daher nicht einmal die Lebenspartner und engsten Familienangehörigen von der sehr speziellen Neigung.
BIID-Betroffene sind in soweit in einer besonders schwierigen Position, als sie auf der einen Seite Hilfe erfahren wollen, auf der anderen Seite aber extreme Angst haben, für geisteskrank erklärt zu werden und in der Psychiatrie zu landen.
Dies führt in sofern zur Isolation, als ständig ein Teil der Persönlichkeit unterdrückt und verschwiegen werden muss. Ähnlich den Transsexuellen spüren sie permanent, im „falschen“ Körper zu leben und müssen erkennen, dass eine Verbesserung der Lebenssituation nach derzeitigem Stand zumindest auf legalem Wege kaum zu erreichen sein wird.

Depressionen Suizidgefährdung

Es ist erkennbar, dass durch BIID Depressionen ausgelöst oder Betroffene suchtanfällig werden. Bei Einigen führt der stetig zunehmende Leidensdruck zur Suizidgefährdung.

Flucht in die Illegalität

Da BIID-Betroffene derzeit keine ernsthafte Hilfe von medizinischer Seite erfahren, sucht Mancher Hilfe auf illegalem Wege. Gegen entsprechend hohe Zahlungen lassen sich insbesondere in Schwellenländern Ärzte finden, die bereit sind, Amputationen durchzuführen. Die Zahlen, wie viele BIID-Betroffene sich tatsächlich einer Operation unterziehen, gehen weit auseinander. In einem Artikel der Süddeutschen Zeitung von Dezember 2005 wird von ca. 100 Europäern und ca. 200 Amerikanern berichtet, die jeden Monat in einem Entwicklungsland operiert werden. Eine andere Quelle nennt etwa 25 Personen aus Deutschland, die sich pro Jahr einer Operation unterziehen. Da diese illegalen Amputationen für beide Seiten mit höchstem Risiko verbunden sind, ist die Szene extrem abgeschlossen. Viele BIID-Betroffene suchen geradezu verzweifelt alle möglichen Kanäle im Internet ab, um ebenfalls an Adressen entsprechender Ärzte zu gelangen.

Selbstverstümmelung

Dies führt dazu, dass einige BIID-Betroffene für sich nur den Weg der Selbstverstümmelung sehen oder sich derartige Verletzungen selber herbei führen, so dass auch hiesige Ärzte gezwungen werden, Amputationen durchzuführen. Neben den unterschiedlichsten Formen, sich mit großer Gewalt auf mechanischem Wege Gliedmaßen abzutrennen, wird mit Injektionen oder künstlich herbei geführten Erfrierungen experimentiert. Diese Formen der Selbstverstümmelung sind mit extrem hohem Risiko verbunden und zeigen den Grad des Leidensdrucks auf, bei dem sogar eine akute Lebensgefährdung in Kauf genommen wird. Die Flucht in die Illegalität und die lebensgefährlichen Versuche der Selbstbestimmung belegen, dass die Einschätzung von BIID als verquere sexuelle Phantasie falsch ist.

Theraphieansätze

BIID-Betroffene beschreiben sich selber als „krank“ und wollen Heilung erfahren. Dabei werden verschiedene Theraphieansätze diskutiert:

Psychopharmaka

Es wird überlegt, ob der Leidensdruck durch den Einsatz von Psychopharmaka so reduziert werden kann, dass sich eine spürbare Verbesserung der Lebenssituation einstellt. Die Vorstellung aber, für Jahrzehnte Medikamente einnehmen zu müssen, ist für BIID-Betroffene kaum vorstellbar.

Psychotheraphie

Psychotherapeutische Maßnahmen scheinen viel angebrachter. So scheinen die Ziele der Psychotheraphie auch klar zu sein. Dem BIID-Erkrankten muss ein verändertes Körperbild (zurück-)gegeben werden. D.h., dass beispielsweise das Bein oder der Arm, die bisher als Fremdkörper empfunden werden, dann als zugehöriger Teil des eigenen Körpers wahrgenommen werden. Im Jahr 2005 veröffentlichte Michael First, Psychiater an der Columbia-Univerität in New York, eine Studie, die auf der telefonischen Befragung von 52 BIID-Betroffenen basierte. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass eine therapeutische Behandlung zwecklos sei. Allerdings gibt es bisher auch keine ernsthaften Theraphieansätze, Einige BIID-Betroffene haben bereits die Hilfe von Psychotherapeuten gesucht und schlechte Erfahrungen gemacht.
(„Macht bloß einen weiten Bogen um alle Psychos!!“)
Diese negativen Erfahrungen rühren aber wohl daher, dass es bisher keine gezielten Theraphiemodelle gibt und daher die Psychotherapeuten versuchen, „mit gesundem Menschenverstand“ der Aufgabe gerecht zu werden. BIID scheint aber so komplex zu sein, dass unerfahrene Therapeuten wohl kaum Erfolge erzielen werden.

Frühzeitige Behandlung

Auffallend ist, dass es wohl eine Entwicklung von eher spielerischen Wannabe-Phantasien hin zur BIID-Erkrankung gibt (s.o.). Damit stellt sich die Frage, ob durch eine rechtzeitige Theraphie im „Wannabe-Stadium“, also zu einem recht frühen Zeitpunkt, eine erfolgreiche Behandlung möglich ist. Dazu gehört Professionalität. Dabei würde es bereits genügen, wenn es bundesweit eine einzelle Anlaufstelle gäbe, die auf dem Gebiet von BIID entsprechend erfahren ist. Aber dies scheint Zukunftsmusik.

Operation

Die meisten BIID-Betroffenen sehen alleine in einer Operation, d.h. der Amputation des als fremd empfundenen Körperteils oder der Durchtrennung des Rückenmarks, eine Heilung. Dies ist allerdings ein Schritt, den die Medizin bisher nicht mitgehen will. Tatsächlich verdreht sich hier in bisher kaum gekannter Weise der Begriff von „Heilung“. Kann eine Operation, die üblicherweise nach schwerer Krankheit oder Unfall für einen Betroffenen zu Schwerbehinderung, Einschränkung und Verlust von Lebensqualität führt, im Einzelfall „Heilung“ und „Verbesserung der Lebensqualität“ darstellen? Dieses grundlegende Problem soll in den folgenden Abschnitten wieder diskutiert werden.

Ersatz-Operation

Muss es aber wirklich immer die vollständige Amputation sein?

Es wurde der Fall von einem BIID-Betroffenen bekannt, der sein Bein im Oberschenkel amputiert bekommen haben wollte. Um den starken Leidensdruck abzubauen, wurde ihm als „Ersatz“ ein Glied des Mittelfingers abgenommen. Angeblich stellte sich eine deutliche Verbesserung der psychischen Verfassung ein. Welche psychischen Effekte hier greifen, und ob dies tatsächlich eine Form der „Heilung“ oder zumindest „Linderung“ darstellen kann, wurde natürlich bisher nicht näher untersucht.

Streitfall Operation

Zu dem Vorhaben, BIID-Betroffenen mit Hilfe der Psychotheraphie zu helfen, wird relativ schnell ein allgemeiner Konsens herzustellen sein.
Heftigste Diskussionen löst allerdings der Wunsch der BIID-Betroffenen aus, durch entsprechende Operationen (Amputationen, Durchtrennung des Rückenmarks) den Körper zu erhalten, der als Bild im Kopf vorhanden ist. Tatsächlich strapazieren diese Formen von Theraphie das bisherige Bild von Behinderung und Heilung in extremer Weise.

Im folgenden sollen einige Aspekte diskutiert werden.

Heilung durch Operation (?)
„Mein Körper gehört mir!“ BIID-Betroffene, die sich nach einer Operation sehnen, führen immer wieder an, dass es nur um ihre persönliche Heilung von einer psychischen Erkrankung ginge. Dass sie niemandem zur Last fallen wollen, keine Forderungen an die Gesellschaft stellen und keinem Menschen mit Behinderung irgendwelche Rechte streitig machen wollen. Gemäß dem Gesichtspunkt „Mein Körper gehört mir!“ wollen sie nur jenen Körper erhalten, der ihrem eigenen Körperbild entspricht. Sie beklagen, dass man ihnen das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben verwährt.

Tatsächlich ist die Problematik jedoch deutlich komplexer.
Die Beurteilung von BIID ist so schwierig, weil

– medizinische
– ethische und
– soziale Aspekte

gleichermaßen zu berücksichtigen sind.
Alle drei Aspekte verknüpfen sich in vielfältiger Weise miteinander.

Zu beleuchten ist nicht nur die Sichtweise der Betroffenen. Operationen zur Behandlung von BIID rütteln am gängigen Selbstverständnis der Medizin und natürlich ist auch das soziale Umfeld und letztlich die Gesellschaft betroffen. Selbst wenn es in absehbarer Zeit gelingen sollte, BIID als psychische Krankheit anzuerkennen, bedeutet dies noch lange nicht, dass damit alle ethischen und sozialen Fragen geklärt wären.

Nachfolgend soll versucht werden, die unterschiedlichen Aspekte darzustellen.

Heilung oder Verstümmelung?

„Es kann doch wohl nicht sein, das man von einem Arzt verlangt, einen gesunden Menschen zu verstümmeln!“, lautet ein zentraler Einwand gegen die Operation von BIID-Erkrankten.
Bei BIID-Betroffenen stellen sich sofort zwei Fragen:

1. Sind BIID-Betroffene gesund oder krank?

2. Kann eine Amputation bei einer psychischen Erkrankung Heilung bringen?

Die Beantwortung dieser beiden Fragen ist von grundlegender Bedeutung für die Bewertung von BIID und deren Folgen.

Sind BIID-Betroffene gesund oder krank?

Nach dem derzeitigen Wissensstand ist BIID – nicht das Wannabe-Phänomen – als psychische Erkrankung anzusehen, auch wenn die offizielle Anerkennung noch aussteht.

Kann eine Amputation bei einer pschischen Erkrankung Heilung bringen?

Dass eine Amputation nach einem Unfall oder bei einer schweren Erkrankung lebensrettend sein kann und Heilung bringen kann, ist unumstritten. Dies geschieht jedes Jahr in vielen tausend Fällen. Die zentrale Frage ist, ob eine Amputation oder eine künstlich herbeigeführte Lähmung bei schweren BIID-Erkrankungen, wo eine Psychotheraphie keine Linderung mehr bringt, als „ultima ratio“, als letztmögliche Form der Heilung, anerkannt wird.
Bei der Beantwortung dieser Fragen kommt es zum Schwur.

Und weiter:
Die Schlüsselfragen

Ist BIID eine psychische Erkrankung oder ein extremer sexueller Fetisch?

Bereits vorstehend wurde auf die Unterschiede zwischen dem Wannabe-Phänomen und der BIID-Erkrankung hingewiesen. Diese Unterschiedung ist von grundlegender Bedeutung, um zu einer differenzierten Betrachtung zu gelangen.
Stellen Operationen bei BIID-Betroffenen nicht nur eine sehr extreme Form von Schönheitsoperation dar?

(„Die Eine lässt sich die Brüste vergrößern, die Andere das Bein verkürzen!“)

These:
Es kann nicht sein, dass man von einem Arzt verlangt, ein gesundes Bein zu amputieren!

Die Forderung an einen Arzt, ohne Not ein gesundes Körperglied zu entfernen, widerspricht jeglichem Selbstverständnis der Medizin.
Aber:
Würden Operationen an BIID-Erkrankten „ohne Not“ und an einem „gesunden Körperglied“ ausgeführt?

Kann es möglich sein, dass ein physisch gesundes Bein psychisch krank macht? Dies würde bedeuten, dass das gesunde Bein (oder der Arm, ….) bei BIID-Betroffenen zur Krankheitsursache würde.
Wenn also ein Arzt einem solchen schwer an BIID erkrankten Patienten ein Bein abnimmt, was macht er in diesem Moment?
Amputiert er ein gesundes oder ein krank machendes Bein?
Heilt er einen psychisch kranken Patienten oder führt er eine mehr als verquere Schönheitsoperation aus?
Verstümmelt er einen Patienten ohne Not oder ist die Operation eine notwendige Heilung?
Die Beantwortung dieser Fragen ist von grundlegender Bedeutung.
These:
Es kann nicht sein, dass man durch eine bewusst hergestellte Schwerbehinderung glücklich sein kann!

Veränderte Körperbilder? Die Operation von BIID-Betroffenen scheint allein schon deshalb völlig unakzeptabel, weil jede Amputation oder die vorsätzliche Herstellung einer Querschnittlähmung als „Verstümmelung“ gesehen werden. Schließlich scheint es einen allgemeinen Konsenz in der Gesellschaft darüber zu geben, wie der perfekte, gesunde, nicht behinderte Körper auszusehen hat.
Alle Abweichungen davon werden als Makel verstanden, Diese Einschätzung scheint objektivierbar. So herrschen feste Vorstellungen, welche Abweichungen vom körperlichen Idealbild als Behinderung einzustufen sind.
Aber ist diese Einschätzung wirklich so klar, wie es allgemein scheint? Menschen, denen beispielsweise von Geburt an Gliedmaßen fehlen oder Lähmungen besitzen, haben von sich keineswegs zwingend das Bild, in einem inperfekten Körper zu stecken.
Nun wird man einwenden, eine Person, der von Geburt an eine Behinderung besitzt, kennt halt kein anderes Körpergefühl. Wodurch soll die Unvollständigkeit fühlbar werden? So wird die Behinderung eher durch das behindert „werden“ und nicht durch das behindert „sein“ erfahren.
Aber es finden sich auch Aussagen von Menschen, bei denen sich eine Behinderung in späteren Jahren durch Unfall oder Krankheit einstellte, wonach auch sie mit der Zeit ein neues Körpergefühl entwickelten.
Alle dies deutet darauf hin, dass es durchaus unterschiedliche Vorstellungen davon geben kann, wie ein „perfekter Körper“ auszusehen hat.
Wenn man dies nun konsequent weiter denkt: Kann es sein, dass BIID-Betroffene ein von der „Norm“ abweichendes Körperbild in sich tragen, dass für sie „perfekt“ ist und zu dem eben nur ein Bein oder gelähmte Beine gehören?
These:
BIID-Betroffene leben nicht auf einer einsamen Insel sondern belasten das soziale Umfeld!

Sebstbstimmungsrecht der BIID-Betroffenen

Wie weit reicht das Selbstbestimmungsrecht am eigenen Körper?
Besitzt der BIID-Betroffene ein Recht auf „Verstümmelung“ des eigenen Körpers, wenn er dadurch selber „Entlastung“ und „Heilung“ verspürt?
BIID-Betroffenen wird vorgeworfen, sie würden bedingt durch ihre selbst herbei geführte Behinderung ihr soziales Umfeld belasten.
Dieser Einwurf ist nicht von der Hand zu weisen und Betroffenen ist dies auch durchaus bewusst.

Beispiel:
Ein BIID-Betroffener sieht sich selber querschnittsgelähmt und hat durchaus eine Möglichkeit gefunden, diesen Wunsch realisieren zu lassen. Ihm ist jedoch klar, dass er seinen Beruf verlieren würde. Auch wäre ein Wohnen in der bisherigen Wohnung nicht mehr möglich und er würde als Rollstuhlfahrer die Familie erheblich belasten. Trotz des sehr hohen Leidensdrucks vollzieht er den so ersehnten Schritt daher nicht, was ihn wiederum erheblich belastet.

Kann die Operation eines BIID-Patienten also alleine schon deshalb keine Lösung sein, weil die Behinderung auch auf das soziale Umfeld des Betroffenen Auswirkungen hat?

Oder darf eine solche Operation nur durchgeführt werden, wenn das Umfeld diese Entscheidung mit trägt?

These:
Es kann nicht sein, dass BIID-Betroffene mir ihrer bewusst geschaffenen Schwerbehinderung das Sozialsystem belasten!

Die Gesellschaft versucht – mal besser und mal schlechter – die aus einer Behinderung erwachsenen Nachteile und Beeinträchtigungen auszugleichen.
„Gesellschaft“ kann dabei das direkte soziale Umfeld (Familie, Freundeskreis) aber auch der Staat sein. Der Ausgleich kann u,a. bestehen aus erhöhter Zuwendung, Hilfe und Pflege oder beispielsweise aus finanziellen Hilfen. In einer solidarischen Gesellschaft entspricht dies moralischer Verpflichtung.

Aber besteht diese Verpflichtung auch gegenüber BIID-Betroffenen?
„Es kann doch nicht sein, dass eine Krankenkasse Jemandem, der sich sein Bein freiwillig hat abschneiden lassen, anschließend die Prothese bezahlen muss!“
Nun, wenn man Operationen bei BIID-Betroffenen als sehr verquere Form von Schönheitsoperation einschätzt, wäre dies mehr als fraglich. Versteht man eine Operation aber als notwendige Form der Theraphie bei einer psychischen Erkrankung, dann ändert sich der Blickwinkel. Hat ein BIID-Erkrankter, der nur durch eine Amputation von seinem psychischen Leiden geheilt werden kann, weniger Recht auf medizinische Versorgung als ein unverantwortlicher Autobahnraser, der bei einem selbst verschuldeten Unfall sein Bein verloren hat? Nun wird der BIID-Betroffene sofort einwenden, dass er keineswegs der Gesellschaft zur Last fallen oder gar „echten“ Behinderten Vergünstigungen oder Hilfen streitig machen will.
Aber ist dies realistisch?
Müsste man von BIID-Betroffenen vor der Operation unterschreiben lassen, dass sie auf jegliche finanzielle und sonstigen Hilfen verzichten und auch für alle aus Folgeerkrankungen entstehenden Kosten selber aufkommen?
Kann man das so trennen?
Spielen wir den Gedanken weiter.
Die Gesellschaft hätte akzeptiert, dass BIID-Betroffene eine veränderte Körperwahrnehmung besitzen und die Medizin hält die Ausführung der „Veränderungen“ für ethisch vertretbar. Dann müsste zwischen „echten“ und „unechten“ Behinderungen unterschieden werden.
Personen mit „echten“ Behinderungen, die sich also beispielsweise durch vorgeburtliche Schädigung, Unfall oder Krankheit eingestellt haben, hätten somit das Anrecht auf die Fürsorge und Unterstützung der Gesellschaft. BIID-Betroffene als „unechte“ Behinderte hätten einen solchen Anspruch nicht.

Was würde dies in der Praxis bedeuten?

• BIID-Betroffene hätten keinerlei Ansprüche auf medizinische Leistungen. Alle (Folge-)Erkrankungen, die aus der Operation erwachsen, aber auch alle Hilfsmittel wären nicht durch das Krankenkassensystem gedeckt.

• Alle Hilfen im öffentlichen Raum, wie beispielsweise Behindertenparkplätze oder rollstuhlgerechte Plätze in Kinos dürfen die „unechten“ Behinderten den „echten“ Behinderten nicht wegnehmen.

Aber mit welchem Recht würde diese Trennung geschehen?

Entweder ist BIID eine anerkannte psychische Erkrankung und die Operation eine zulässige Form der Theraphie, dann darf es diese Trennung nicht geben. Oder aber BIID ist keine Erkrankung und die Operation stellt keine „Heilung“ dar. Dann darf sie erst gar nicht ausgeführt werden.

These:
Wie sollen BIID-Betroffene ein Leben lang mit einer Lüge über die wahre Ursache ihrer Behinderung leben können?

Hoffnung auf Akzeptanz

Eine viel diskutierte Frage ist, ob mittelfristig ein Grad von Akzeptanz erreicht werden kann, der einen objektiveren Umgang mit dem sehr schwierigen Phänomen BIID ermöglicht. Dabei ist zwischen der Akzeptanz in der Ärzteschaft (bzw. dem Gesundheitssystem) und der Gesellschaft zu differenzieren.
So setzen die BIID-Betroffenen darauf, dass zumindest innerhalb der Ärzteschaft die Akzeptanz soweit zunimmt, dass BIID als psychische Krankheit anerkennt wird, so dass eine Behandlung ermöglicht wird. Dies bedeutet aber noch lange nicht, dass sich diese Akzeptanz auch in der Gesellschaft schaffen lässt.
Ist aber die Ärzteschaft bereit, Dinge zu akzeptieren, die auf keinen gesellschaftlichen Konsens treffen ?

Lebenslüge BIID

Soll daher die gewünschte Operation zwar legal aber unter Verschweigung des wahren Grundes durchgeführt werden?

Beispiel:
Man stelle sich vor, ein BIID-Betroffener kommt nach seiner erfolgreichen Operation im Rollstuhl an seinen Arbeitsplatz zurück. Die Kollegen sind zu tiefst erschrocken. Auf die Frage nach der Ursache teilt der Betroffene dann mit, dass er schon immer querschnittelähmt sein wollte und sich nun habe das Rückenmark durchtrennen lassen.
Es ist wohl unrealistisch, in solchen bzw. ähnlichen Fällen mittelfristig auf Verständnis zu hoffen.
Erfolgreiche BIID-Betroffene, die es auf illegalem Wege geschafft haben, operiert zu werden, konstruieren komplizierte Lügengeschichten um zu erklären, warum sie plötzlich schwerbehindert leben müssen. Dies wäre vermutlich auch dann erforderlich, wenn die Operationen „auf Krankenschein“ ausgeführt werden könnte. Dies würde bedeuten, dass man weiterhin seine Umwelt über die BIID-Erkrankung und die wahren Ursachen der Behinderung belügen müsste. Damit stellt sich die Frage, ob eine Operation wirklich zu der erwarteten „Entlastung“ führt, wenn das Leben gleichzeitig von einer „Lüge“ getragen wird.

These:
Was ist, wenn sich die erhoffte Heilung nicht einstellt?

„Ihr habt keine Ahnung was es bedeutet, mit einem Bein leben zu müssen!“, wird BIID-Betroffenen von Menschen mit Behinderungen vorgeworfen.
Bei Wannabes scheint tatsächlich recht häufig ein naives und idealisierendes Bild vom Leben mit einer Behinderung vorzuherrschen.
Für BIID-Betroffene gilt dies in den seltensten Fällen.
Sie kennen in der Regel alle Auswirkungen, alltäglichen Einschränkungen und Folgeerkrankungen im Detail. Ihnen ist bewusst, dass die erhoffte Operation objektiv mit der Abnahme von Lebensqualität einhergehen kann, obwohl BIID-Betroffene in einer Operation für sich selber eine Erhöhung der Lebensqualität sehen.
Einige BIID-Betroffene versuchen sich besonders intensiv mit den negativen Auswirkungen einer Operation zu beschäftigen, um ähnlich wie bei einer Schocktherapie von den BIID-Gefühlen befreit zu werden.
Wirkung zeigt dies in aller Regel nicht.
Aber was ist, wenn sich die erhoffte Heilung nicht einstellt?
Noch so intensives Pretenden kann die gewünschte Behinderung nicht simulieren.
Was ist, wenn der Betroffene einem Phantom hinterher läuft?
Die von BIID-Betroffenen gewünschten Operationen sind schließlich nicht reversibel.
Andererseits weiß man von illegal operierten BIID-Betroffenen, dass sich „Heilung“ einstellt. Sie zweifeln nicht daran, dass die Operation ihnen individuell geholfen hat. und „gut tut“. Die Operation führt zu dem Körper, der dem Körpergefühl entspricht. Wenn dies denn für einen speziellen Personenkreis so ist, muss eine Gesellschaft dies nicht akzeptieren, oder darf die Gesellschaft an alle Menschen die gleichen Maßstäbe legen?

Beispiel Transsexualität

Von wenigen Grenzfällen abgesehen, ist ja nun mal recht einfach festzustellen, wer männlich und wer weiblich ist. Nun aber gibt es aber Menschen, die weiblich empfinden, jedoch in einem männlichen Körper stecken, und umgekehrt. Sie empfinden das Geschlecht ihres Körpers als Fremdkörper, fühlen sich im Körper des anderen Geschlechts gefangen.

Transsexualität zeigt auffällige Parallelen zur BIID-Problematik. Tatsächlich ziehen BIID-Betroffene selber häufig den Vergleich zur Transsexualität. So wird auch der Begriff „transable“ für BIID benutzt. Ebenso wie Transmänner und Transfrauen gezwungen wären, im Körper des anderen Geschlechts zu leben, empfinden BIID-Betroffene, dass sie in einem Körper leben, an dem sie Teile als fremd oder sogar abstossend empfinden.
Die Frage ist nun tatsächlich, ob der Umgang mit dem Phänomen der Transsexualität „Muster“ und „Vorbild“ für den Umgang mit BIID sein kann.
Transsexuelle spüren, dass sie „falsch ticken“ und versuchen, ihr Denken der körperlichen Geschlechtlichkeit anzupassen. Wenn der Körper nun einmal männlich ist, dann muss man sich halt zwingen, männlich zu denken und zu fühlen. So versuchen beispielsweise Frauen, die in einem männlichen Körper stecken, besonders männlich zu wirken. Sie reden sich selber ein, dass der „Tick“ nachlässt, wenn man nur lange und intensiv genug die Rolle des körperlichen Geschlechts spielt. Oft weiß selbst das nahe soziale Umfeld nichts von der Gefühlswelt der Betroffenen.
Es hat sehr lange gedauert, bis man erkannt hat, dass es nur schwer gelingt, die psychische Wahrnehmung dem Körper anzupassen. Man hat eingesehen, dass es Fälle gibt, wo es notwendig ist, den Körper der Psyche anzupassen. Ist dies bei BIID-Erkranten ebenso?
Die Gesellschaft hat lange gebraucht, um zu erkennen, dass es grundsätzliche Unterschiede zwischen Transvestiten und Transsexuellen gibt. Auch heute noch werden beide Phänomene kräftig durcheinander geworfen.

Gilt es so etwas wie

Transvestiten <> Wannabes
Transsexuelle <> BIID-Betroffene

Fast neidisch wird beobachtet, dass es transsexuellen Männern und Frauen (Transmännern und Transfrauen) nach einem langen und steinigen Weg endlich gelungen ist, auf legalem Wege das Geschlecht dem eigenen Empfinden durch geschlechtsangleichende Maßnahmen anzupassen. Bis eine solche Anpassung letztendlich vollzogen wird, haben die Betroffenen verschiedene Stationen zu durchlaufen, die zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber allgemein angeraten werden.
Typische Elemente sind:

Am Beginn steht in der Regel eine Therapie, die abklärt, ob tatsächlich eine transsexuelle Orientierung vorliegt. Gleichzeitig soll die Therapie helfen, den langwierigen und nicht immer einfachen Weg zum anderen Geschlecht zu unterstützen.
Zusätzlich werden zwei unabhängige Gutachten eingeholt, die die Diagnose zu bestätigen haben.
Im Rahmen des Alltagstests, der vor oder parallel zu einer Hormonbehandlung stattfindet, springen die Betroffenen bereits in die „neue“ Geschlechtsrolle.
Erst danach erfolgen schrittweise die geschlechtsanpassenden Operationen.

Eine Vision

Die Frage ist, ob ein solches Verfahren grundsätzlich auch bei BIID-Erkrankten denkbar ist. Vielleicht in dieser Form:

Am Beginn müsste eine psychotherapeutische Behandlung stehen, die insbesondere abklärt, ob wirklich eine BIID-Erkrankung oder nicht „nur“ starke Wannabe-Phantasien vorliegen.
Dann wäre zu versuchen, ob der Leidensdruck nicht durch die Psychotherapie allein zumindest auf ein erträgliches Maß reduziert werden kann.
Gelingt dies nicht, dann wären zwei weitere Gutachten einzuholen, die die Diagnose bestätigen.
Die Frage ist, ob mit medizinischen Mitteln, wie beispielsweise befristeten lokalen Betäubungen eine Art Alltagstest, durchgeführt werden könnte, so dass in dem Verfahren immer noch einmal eine „Notbremse“ vorhanden wäre.
Erst danach wäre dann eine entsprechende Operation denkbar.

Aber dies ist reine Zukunftsmusik!

 

Faker

To fake, engl. = schwindeln, fälschen

Um mehr über Faker schreiben zu können, benötige ich eure Mithilfe. Ich möchte wissen, was das Faszinierende am Faken ist. Die Garantie der Anonymität ist selbstverständlich!

Über deinen Kontakt würde ich mich sehr freuen.

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